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Suren statt Lieder über Joseph und die Brüder

■ Im Libanon steht der prominente Sänger Marcel Khalife wegen Blasphemie vor Gericht

Kairo (taz) – Der prominente libanesische Sänger Marcel Khalife muss sich heute erneut wegen des Vorwurfs der Blasphemie vor einem Beiruter Gericht verantworten. Der 48jährige linke Politsänger, hatte es gewagt, in einem seiner Lieder einen Vers aus dem Koran zu verwenden. Anlass des Streites ist das vor vier Jahren erschienene Album „Die Arabische Kaffeekanne“. Es enthält ein von Khalife vertontes Gedicht des palästinensischen Dichters Mahmud Darwisch, das sich mit der koranischen Geschichte von Josef und seinen Brüdern befasst – es endet mit einem Vers aus der Koransure, in der die Geschichte erzählt wird.

Bereits vor drei Jahren hatte es deswegen der Mufti des Landes, Muhammad Raschid Qabbani auf den Sänger abgesehen. Er erklärte die Verwendung eines Koranverses in einem Lied zu einem Akt der Blasphemie, wobei er sich auf eine Fatwa der Kairoer Azhar-Universität berief, eine der höchsten Rechtsautoritäten im sunnitischen Islam. Das Verfahren wurde allerdings durch „aktives Einwirken“ des damaligen libanesischen Ministerpräsidenten Rafiq Hariri eingestellt. Eigentlich wäre es dabei geblieben, hätte nicht letzten Oktober der neu ernannte oberste libanesische Staatsanwalt Rahman Schehab die ganze Angelegenheit noch einmal aufgerollt. Der neue Fall, der zum ersten Mal vor vier Wochen verhandelt wurde, sorgt im Libanon für großes Aufsehen. Am ersten Prozesstag am 3. November hatten sich hunderte von Anhängern des Sängers vor dem Justizpalast versammelt, Khalifes Lieder gesungen und ihn auf den Schultern in den Gerichtssaal getragen. Der Richter verschob damals den Prozess um vier Wochen, um der Verteidigung mehr Vorbereitungszeit zu geben.

Wichtige Politiker des Landes haben sich inzwischen mit dem Sänger solidarisch erklärt. Ministerpräsident Selim Al-Hoss hat Khalifeh als „herausragenden Künstler“ beschrieben. Selbst islamische Rechtsgelehrte, etwa das geistige Oberhaupt der Schiiten im Land, Sayed Muhammad Husssein Fadlallah, sehen in dem Lied keine Verletzung des Islam, da es sich insgesamt, so Fadlallah, um ein humanitäres Anliegen handele. Auch Internationale Menschenrechtsorganisationen, wie Human Rights Watch, haben den Fall inzwischen aufgegriffen. Libanesisches Recht werde missbraucht, um einen arabischen Sänger zu kriminalisieren. „Dieser Fall ist eine Herausforderung für die Meinungsfreiheit im Libanon. Das Gericht hat die Möglichkeit einen Präzedenzfall zu schaffen, indem es zugunsten Khalifes entscheidet“, sagt Hany Megalli, der für den Nahen Osten zuständige Direktor der Organisation. Der Sänger selbst hat wiederholt erklärt, dass er nicht den Koran vertonen, sondern auf das Schicksal der Palästineser aufmerksam machen wollte. Das Verfahren nennt er einen „moralischen und kulturellen Skandal“. Im Libanon, sagt Khalife, gebe es derzeit eine Kampagne gegen die Kreativität, als sei es blasphemisch, kreativ zu sein.

Der Mufti bleibt dennoch dabei: Es gebe Grenzen für die Meinungsfreiheit, und eine davon sei es, den Glauben der Menschen nicht zu verletzen. Bekommen der Mufti und sein Staatsanwalt recht, dann drohen Khalife nach libanesischem Strafrecht wegen öffentlicher Beleidigung einer Religion zwischen sechs Monaten und drei Jahren Gefängnis.

Karim El-Gawhary

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