: Das komplexere Abenteuer
■ Bernhard für alle: Claus Peymann stellte im Berliner Ensemble den Spielplan 2000 vor
Gestern mittag stellte Claus Peymann den Spielplan des Berliner Ensembles vor. Naturgemäß galt die Neugierde mehr der Erscheinung Peymann als der Frage, ob nun Brecht, Hochhuth oder die Wiener Burg das Programm 2000 dominieren werde.
Sichtlich dämpfte der Selbstmord Ulrich Wildgrubers am Strand von Sylt die Stimmung des gern gut gelaunten Intendanten: Selbst sein polemisches Abgrenzungsmanöver gegen die „Dauervermatschung“, die „Nachäffung von Fernsehen, Soap-Operas und Videoclips“, gegen alles, was „Hip, Hop und Pop“ sei, klang freundlich, milde, nachgerade harmonisierend – und kaum nach „strengem, klassischem Image, wie es sich für Oldies gehört“. Mit einer „Feier des Geistes“ und „sinnhaftem, nicht buntem Theater“ wolle man „das komplexere Abenteuer“ suchen und ein herausfordernd „bürgerliches“ Ost-West-Publikum gewinnen.
Weder ein Spielzeitmotto noch eine inhaltliche Klammer lasse sich über die „äußerst individuellen Projekte“ schreiben, meinte der Hausherr, fand aber als Gemeinsamkeit einen Gemeinplatz: die „Wahrnehmung der politischen Realität unserer Zeit“. Der greise Altmeister Tabori wird am 8. Januar die Spielzeit mit der Uraufführung seiner „Brecht-Akte“ eröffnen. Anfang Februar zieht Peymann mit Franz Xaver Kroetz' „Das Ende einer Paarung“ nach, der „Morgengabe“ des Intendanten an die Regierung in Berlin. Es folgt „Welttheater“: unter anderem Shakespeares „Hamlet“ in einer Inszenierung des alten, gleichfalls Burg-erprobten Theaterbildkünstlers Achim Freyer (in der Hauptrolle Martin Wuttke), Peter Weiss' „Marat/Sade“ in der Regie von Peymanns Zögling Philip Tiedemann und ein „Tartuffe“ von Tamás Ascher mit Ben Becker. Zum Projekt „Welttheater“ zählt der Intendant ausdrücklich auch Hochhuths „Stellvertreter“, der „ganz ohne Zwang und Holzapfel“ auf dem Programm der Spielzeit 2000/2001 steht.
Zwischen den neuen Berliner Produktionen hat Peymann das Erbe seiner Burgtheater-Ära untergebracht: neben Handkes „Publikumsbeschimpfung“ und Kroetz' „Die Eingeborene“ gleich viermal (!) Thomas Bernhard. Zusammen mit Lesungen aus „Beton“ und „Wittgensteins Neffe“ wird das „bürgerliche Publikum“ im Jahr 2000 also einen prallen Überblick über das Bernhardsche Gesamtwerk erhalten. Turrini, Jelinek, Qualtinger und andere staatshassende Österreicher bestücken vorerst hauptsächlich die „BE-Zugaben“. Was die „Spurensicherung des DDR-Theaters“ angehe, räumte Peymann ein, gebe es vorläufig in diesem Spielplan noch ein Defizit. Eva Behrendt
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