piwik no script img

Irian Jaya will freies Papua werden

In der indonesischen Provinzhauptstadt Jayapura hissen tausende Demonstranten die Fahne der Unabhängigkeit und singen friedlich die Hymne des freien Papua   ■  Von Jutta Lietsch

In Indonesien werden die Unabhängigkeitbewegungen stärker und mutiger: Rund 15.000 Menschen versammelten sich gestern in der Hauptstadt der Provinz Irian Jaya im Westen Papuas, um die Fahne der separatistischen „Bewegung freies Papua“ zu hissen. Trotz Warnungen der Armee hatten sich viele Bewohner der Region auf den oft tagelangen Weg in die Provinzhauptstadt Jayapura gemacht. Die Kundgebung erinnerte an den 1. Dezember 1961. Damals, als die niederländischen Kolonialherren noch über die knapp 4.000 Kilometer östlich von Jakarta gelegene Region herrschten, war der „Morgenstern“ der Freiheitsbewegung hier zum ersten Mal gehisst worden.

Schon frühmorgens fand sich die Menge vor dem Regierungsgebäude ein. Eine evangelische Pfarrerin hielt einen Gottesdienst und stimmte dann die Hymne des Freien Papua an – gefolgt von der indonesischen Nationalhymne. Auch die indonesische Flagge flatterte im Wind. Anders als zu solchen Anlässen in der Vergangenheit, die oft blutig endeten, blieb es gestern friedlich. „Wir gehen nicht gegen die Demonstranten vor“, erklärte Polizeichef Selvanus Wenas. Allerdings wolle er „die Leute, die die Fahne gehisst haben, vor Gericht bringen“. In zahlreichen Städten der Provinz fanden ähnliche Demonstrationen statt.

Ermuntert vom Erfolg der Unabhängigkeitsbewegung in Osttimor wächst in Irian Jaya wie in der Provinz Aceh und anderen Regionen die Forderung nach einem eigenen Staat. Eine Guerillabewegung kämpft bereits seit Ende der 60er-Jahre gegen die Zentralregierung. Irian Jaya, wie die Indonesier Westpapua nennen, ist eine ebenso reiche wie unwegsame Region, deren melanesische Bewohner verstreut in den Bergen und Dschungeln leben.

Nur zwei Millionen Menschen, ein Prozent der indonesischen Gesamtbevölkerung, leben hier auf einem Fünftel der Fläche Indonesiens. Doch weniger als die Hälfte der Bewohner Irians gehören zur Urbevölkerung: Ein Umsiedlungsprogramm brachte hunderttausende Zuwanderer aus Java und anderen dichtbewohnten Inseln und verschärfte die sozialen Konflikte. Denn Irian Jaya ist Indonesiens Schatzkammer: Hier liegen eine der größten Gold- und Kuperreserven der Welt und werden reiche Öl- und Mineralienvorkommen vermutet. Der US-Bergbaukonzern Freeport McMoRan, der die Grasberg-Minen von Irian ausbeutet, ist Indonesiens größter Steuerzahler. Er verwaltet effektiv ganze Landstriche, bezahlt die Lokalregierung und das Militär, das Proteste gegen die Umweltzerstörung des Konzerns unterdrückt.

Die Geschichte der Herrschaft Jakartas über die Provinz besteht aus wirtschaftlicher Ausbeutung, militärischer Unterdrückung und Betrug: Tausende Menschen kamen in den letzten Jahren unter dem Regime der „Aufstandsbekämpfung“ der Armee um. Erst 1963 kam Irian zu Indonesien, nachdem Jakarta mit Invasion drohte und die USA die Niederländer gedrängt hatten, die Kolonie endlich abzugeben. Statt wie vereinbart durch ein Referendum ließ Indonesien die Einverleibung 1969 durch einen manipulierten Ältestenrat absegnen. Dennoch erkannte die UNO die Einverleibung im gleichen Jahr an.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen