Spezialunterricht für mutmaßliche Gangster-Kids

■ Während sich Polizei und Oberlehrer über „Gewalt an Schulen“ zerstreiten, hat Bayerns Schulministerin ein Rezept parat: Gewalttäter aus der Klasse nehmen und therapieren

Berlin (taz) – Der Plan dreier Teenager, ihre Lehrerin in dem bayerischen Dorf Metten zu ermorden, entzweit die deutsche Beamtenlobby. Der Boss der Polizeigewerkschaft, Gerhard Vogler, verlangte gestern nach stärkeren Überwachungsmaßnahmen für Schulen. Der Vorsitzende des ebenfalls zum Beamtenbund gehörenden Lehrerverbandes, Josef Kraus, lehnte es dagegen strikt ab, „aus Schulen Hochsicherheitstrakte zu machen“.

Lehrerlobbyist Kraus beschimpfte angesichts der Horrorberichte aus der vermeintlich idyllischen Provinz Gesellschaft und Medienanbieter. Es sei verlogen, die Schulen zu Friedfertigkeit aufzurufen – gleichzeitig aber ein „Bombardement an Brutalität“ zu tolerieren, das über Medien und Computerspielen auf Jugendliche niedergehe. „Es ist die Gesellschaft insgesamt, die es zulässt, dass Heranwachsende Gewalt als etwas ganz Normales empfinden“, sagte Kraus. Er forderte Videoverleiher und Anbieter von Computerspielen auf, „endlich mal das Prinzip Verantwortung vor den Kommerz zu stellen“.

Die neuerliche Diskussion wurde von einem Mordkomplott von drei 14-jährigen Schülern ausgelöst. Sie störten den Frieden des 800-Einwohner-Ortes Metten bei Deggendorf, weil sie offenbar eine Klassenlehrerin und die Leiterin ihrer Hauptschule umbringen wollten. Die Polizei vereitelte die Tat, indem sie die Jungen nach Hinweisen in ihren Klassen festnahm.

In den Schulbänken und den Elternhäusern der Kinder fanden sich Waffenlisten. Die Jugendlichen gaben darin an, sich Handgranaten, Minen und ein Scharfschützengewehr besorgen zu wollen. Einstweilen hatten sie aber „nur“ einen Revolver samt 30 bis 40 Schuss scharfer Munition, die sich im Nachtkästchen des mutmaßlichen Anführers fanden. Auch Gewalt- und Pornovideos entdeckte die Polizei, die als Berufswunsch einer der Buben „Massenmörder“ protokollierte. Journalisten, die in der Schule die wahren Hintergründe recherchieren wollten, unterbreiteten die Kids das Angebot: „Für 1.000 Mark erzähle ich alles.“

Die bayerische Schulministerin Monika Hohlmeier hat schnell ein Rezept gegen Täter wie die in Metten oder im sächsischen Meißen präsentiert, wo ein 15-Jähriger vor vier Wochen seine Lehrerin erstochen hatte. Hohlmeier will gewalttätige Jugendliche aus den Klassen nehmen und einer „gezielten individuellen Therapie“ unterziehen. Dazu reichen der Ministerin ihre bereits existierenden 28 Spezialschulen „für Erziehungshilfe“ nicht. Auch in Örtchen wie Metten sollten auffällige Kinder zeitweise von den braven Kindern getrennt werden. Es seien keine „neuen Einrichtungen für kriminelle Kinder geplant“, sagte Hohlmeiers Sprecherin Dorothee Erpenstein der taz. Ziel sei aber, jugendliche Gewalttäter zu „resozialisieren“. Bereits am 16. Dezember will die Schulministerin mit den bayerischen Kommunen über ihren Plan beraten.

Indes wurde das nächste angebliche Mordkomplott in einer Schule bekannt. In einem Gymnasium im sächsischen Radeberg entdeckten die Behörden eine Todesliste mit den Namen von sieben Pädagogen. Die 13- bis 15-jährigen Verfasser erhielten einen schriftlichen Verweis. Christian Füller