Ich war immer ein Einzelgänger“

■  Die Budapester Straße könnte jederzeit eine Kunstmeile werden: Ein Gespräch mit dem Berliner Galeristen Michael J. Wewerka über Galeriestandorte, den Kunstboom in Mitte und die Arbeiten von Jim Avignon und Dag

Wenn man nur ans Geld denkt, sollte man lieber mit Autos handeln und nicht mit Kunst

Er war Journalist bei der „Hannoverschen Allgemeinen Zeitung“, er hat mit „Die Werwölfe“ einen Film über den Nazi-Underground nach dem Zweiten Weltkrieg gedreht. Und als Pächter ist er Herr über die Kunst- und Flohmärkte an der Straße des 17. Juni. Am wohlsten aber fühlt sich Michael J. Wewerka (Jahrgang 1936) in der Rolle des Galeristen: Der gebürtige Berliner hat in den Achtzigerjahren Wolf Vostell oder Timm Ulrichs ausgestellt und in den Neunzigerjahren in seinem Pankower Haus Popstars aus dem Clubleben wie Gio di Sera oder Betty Stürmer herausgebracht. Nach einer zweijährigen krankheitsbedingten Pause zeigt Wewerka nun Arbeiten von Jim Avignon und Dag in den neu bezogenen Räumen an der Budapester Straße – in Sichtweite vom Hotel Intercontinental.

taz: Herr Wewerka, Ihre neue Galerie liegt zwischen Reisebüros und Luxushotels. Noch im letzten Februar pilgerten hier einige tausend Journalisten und Cineasten zur Berlinale entlang. Wollen Sie an den alten Chic vom Ku'damm anknüpfen?

Michael Wewerka: Mir hat die Straße ganz einfach gut gefallen. Mit den Arkaden und den neuen Hotels hat sie Boulevardcharakter. Als mir der Besitzer vom Intercontinental-Hotel das Angebot gemacht hat, hier eine Galerie zu eröffnen, habe ich natürlich zugegriffen.

Der Ort hier ist für mich die Mitte zwischen Mitte und Charlottenburg. Das hat was, so wie ich als Galerist ja auch sehen muss, wie ich die Arbeiten im Sinne der Künstler verkauft kriege. Auf dem Weg zum Interconti kommen viele Hotelgäste vorbei, die ziemlich erstaunt darüber sind, was da angeboten wird. Ein älterer Herr war völlig begeistert von einer Arbeit von Jim Avignon und hat das Bild gleich gekauft. Ich bin sicher, der kommt irgendwann wieder.

Warum wollten Sie nicht nach Mitte?

Ich war schon immer mehr ein Einzelgänger. Deshalb habe ich ja auch meine letzte Galerie in Pankow gemacht.

Was treibt Sie nach 25 Jahren Galerietätigkeit noch an?

Wenn ich mir Ausstellungen anschaue, stelle ich immer wieder fest, dass ich kein so großes Talent habe, einfach nur Publikum zu sein. Außerdem würden mir die Eifersüchteleien und Neidvorstellungen der Künstler untereinander fehlen. Wenn du nicht mehr als Galerist tätig bist, ge- hen dir irgendwann auch die Gespräche über Kunst verloren. Dagegen möchte ich hier in der Budapester Straße am liebsten Tische vor die Tür stellen, damit sich die Leute treffen können, von Journalisten bis zu jungen Nachwuchssammlern, die noch nicht wissen, wie sie mit Kunst umgehen sollen.

Ist Berlin mittlerweile eine Kunstmetropole, in der sich solche Aktivitäten lohnen?

Mitte ist zwar ein Symbol für Kunst als neuer wirtschaftlicher Faktor für Berlin. Das könnte aber auch jederzeit woanders in der Stadt angesiedelt werden: Der Interconti-Besitzer hat mir selbst gesagt, wenn ich noch zwei, drei andere Galerien finde, die Interesse an dem Ort haben, dann könnte man hier ebensogut eine Galeriemeile aufmachen.

Hat der Boom in Mitte Auswirkungen auf das Programm Ihrer Galerie?

Ich war ja bekannt dafür in den letzten 25 Jahren, dass ich nicht unbedingt den Mainstream bedient habe. Das ist mein Konzept: Ich suche mir Sachen aus, die mir gefallen und von denen ich glaube, dass Sie ein Publikum finden. Das muss nicht mit dem übereinstimmen, was derzeit etwa in Wolfsburg als young german art präsentiert wird. Das ganze Phänomen hat ja auch seinen Vorlauf in Berlin gehabt. Obwohl, wenn ich mir anschaue, was in Mitte passiert, da sind Sachen dabei, die ich nicht mal mit der Kneifzange anfassen würde.

Mag auch eine Ausstellung wie „Children of Berlin“ in New York als Spektakel eine große Presse bekommen haben, für mich zählt hier mehr die Qualität. Ob da nun irgendwelche Künstler oder Galerien in dem Hauptstrom mitschwimmen, das ist mir relativ Wurscht. Natürlich sind Leute wie Harry Lybke von Eigen + Art oder Friedrich Loock mit seiner Wohnmaschine ziemlich tüchtig und geschickt. Aber Umsatz macht man mit den vielen Leuten, die am Wochenende durch die Mitte-Galerien laufen, auch nicht.

In Mitte hat die Verbindung von Club und Kunst ziemlich viel zur Attraktivität beigetragen. Die beiden Künstler Jim Avignon und Dag, die Sie gerade ausstellen, sind ja auch aus diesem Umfeld hervorgegangen. Sind Sie mit immerhin 63 Jahren noch szenebewusst?

Ich bin so. Ich habe ja selber Söhne in dem Alter, mit denen ich früher um die Häuser gezogen bin. Wolf Vostell hat immer zu mir gesagt: „Kümmere dich um die gleiche Generation“. Aber das reicht mir nicht. Man muss die verschiedenen Jahrgänge vermischen können – sonst würde die Farbe fehlen. Die Bilder von Jim habe ich das erste Mal im Eschschloraque Rümpschrümp gesehen. Gio di Sera, mit dem ich auch schon anfang der Neunzigerjahre Ausstellungen gemacht habe, hatte mir den Tipp gegeben. Und ich habe mir das angesehen und gesagt: Das sind doch gute Sachen.

Gleichzeitig hat sich das Bild vom Clubkünstler schon wieder verändert: Jim Avignon und Dag haben sich zuletzt ja selbst bei solchen Events verweigert. Wir kommen miteinander klar, weil ich ihnen vermittelt habe, dass mich ihre Kunst nicht als Deko oder Aushängeschild interessiert, sondern weil ich ihre Arbeit wirklich schätze. Mir hat zum Beispiel die Frechheit der Motive gefallen und die Rasanz, mit der sie malen. Das wirkt auf mich alles sehr unbekümmert. Erst waren die beiden unglaublich misstrauisch, ich würde nur an den Verkauf denken. Aber wenn man nur ans Geld denkt, dann sollte man lieber mit Autos handeln und nicht mit Kunst.

Ihre Einstellung hat doch sicher auch etwas mit der eigenen Vergangenheit zu tun: Fluxus, Happening . . . 1995 haben Sie ja immerhin eine der letzten Ausstellungen mit Al Hansen gemacht.

Natürlich stellt man irgendwann fest, dass sich die Formen wiederholen. Es gibt Wellen, mit denen sich ein neuer Elan verbindet. Aber dann gibt es eben auch Künstler wie Betty Stürmer, die beim Trash bleiben, ohne sich aufzugeben: Auf der einen Seite stellt sie verkäufliche Sachen her, und auf der anderen Seite macht sie dann ihr DJ-Everybody-Programm. Bei Jim Avignon und Dag denke ich auch an den früh verstorbenen Keith Haring. Anfangs waren seine Zettel nicht teurer als fünfzig Dollar, jetzt zahlt man manchmal hunderttausende und mehr dafür.

Es heißt, dass Kunst von Jim Avignon bereits im Büro von Verkehrsminister Müntefering hängen würde. Unterschätzt man in Berlin eigentlich den Geschmack der Beamten aus Bonn?

Ach Gott, Politiker sind doch nicht anders als wir auch. In denen steckt doch auch der Wunsch, etwas zu entdecken. Bei Jim Avignon geht es dazu noch um politische Statements, wenn da Sprüche auftauchen wie „I don't want to be protected by the USA“. Das hat ein Amerikaner auch prompt nicht gekauft. Aber er hat dann doch ein anderes genommen.

Interview: Harald Fricke

Jim Avignon und Dag, bis zum 14. Dezember in M. J. Wewerka Galerie, Budapester Straße 18, Charlottenburg Öffnungszeiten: Montag bis Freitag von 11 bis 19 Uhr, Samstag von 11 bis 17 Uhr