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Das PortraitUrgestein der Resistenza

■ Leonilda Iotti

Leonilde Iotti ist tot. Wie kaum eine Politikerin in Europa verkörperte „Nilde“, wie sie seit Kindheit hieß, jenes soziale Urgestein, das nur Frauen entwickeln konnten, deren tiefste Prägung die „Resistenza“ war, der italienische Widerstand gegen die deutsche Besatzung: Mit 23 Jahren ging sie 1943 in den Untergrund und wurde zu einem der wichtigsten Kuriere des Widerstands, ohne sich je von den oft als Machos auftretenden KP-Genossen unterbuttern zu lassen.

Die italienische Politikerin Leonilde Iotti starb 79-jährig in der Nacht zu Samstag              Foto: AP

Iotti gründete eine der ersten reinen Frauengruppen der Resistenza und machte sich nicht nur in „ihrer“ Region Emilia, sondern landesweit so unentbehrlich, dass KP-Chef Palmiro Togliatti sie zu seiner engsten Mitarbeiterin und später zu seiner Lebensgefährtin machte. 1946 war sie das jüngste Mitglied der verfassungsgebenden Versammlung der neuen Republik und gehörte seitdem ununterbrochen dem Parlament an.

1956 wurde sie Mitglied des ZKs der Kommunistischen Partei, in der sie 1961 erstmals eine eigene Frauensektion durchsetzte. 1972 wurde sie Vizepräsidentin des Abgeordnetenhauses. Als Europaabgeordnete arbeitete sie an der Konstituierung des vor allem von Enrico Berlinguer forcierten Eurokommunismus mit. 1979 schließlich wurde sie Präsidentin des Abgeordnetenhauses.

Stets war sie in der KP und seit 1992 in der Nachfolgepartei der Linksdemokraten bei den reformistischen Kräften zu finden. Wo etwas für Frauen zu tun war, gehörte sie zu den ersten Mitstreiterinnen – ohne dabei in schrilles feministisches Gehabe zu verfallen. Das Parlament führte sie entschlossen und meist mit tief sonorer Stimme ohne erkennbare Emotionen, selbst wenn es heiß herging.

Ihrer eigenen proletarischen Partei suchte sie einen Touch von Bürgerlichkeit zu verschaffen. Ihre Eleganz, aber auch ihr nur selten zum Lachen bereiter Gesichtsausdruck strahlten meist wesentlich mehr Seriosität aus, als die oft auf verkrampfte Leutseligkeit zielenden Staatspräsidenten, deren zweite Stellvertreterin sie qua Funktion war.

Auch dies war eine ihrer besonderen Eigenschaften: Wo sie erkannte, dass sie nicht mehr weiterkam, zog sie die Konsequenzen. So auch ihre letzte Geste: Als sie vor 14 Tagen immer neue Herzattacken bekam, legte sie, obwohl ihre Ärzte ihr rasche Genesung prophezeiten, ihr Abgeordnetenmandat nieder.    Werner Raith

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