: Kongos neuer Krieg ist vorerst beendet
Ruanda vermittelt zwischen Präsident Kabila und dem ruandischstämmigen Rebellenführer Nkunda im Osten
BERLIN taz ■ Der wichtigste noch aktive Rebellenführer der Demokratischen Republik Kongo suspendiert seinen Krieg und erhält im Gegenzug eine politische und militärische Vormachtstellung. Laurent Nkunda, abtrünniger ruandischstämmiger General im Osten des Landes, hat mit der Regierung von Präsident Joseph Kabila vereinbart, dass ein Teil seiner Rebellenarmee mit einem Teil der kongolesischen Regierungsarmee FARDC zu zwei gemischten Brigaden zusammengeführt wird, ohne dass die Rebellen ihre eigenen Strukturen verlieren. Sie werden weiterhin die von ihnen beherrschten Regionen rings um die ostkongolesische Metropole Goma in der Provinz Nord-Kivu kontrollieren. Im Gegenzug sollen sie nicht mehr gegen die Regierungstruppen kämpfen.
Das Abkommen zwischen Nkunda und Kabila, dessen Einzelheiten in den letzten Tagen bekannt wurden und dessen Umsetzung am Wochenende begann, hat Ruanda ausgehandelt, wo Nkunda einst militärisch ausgebildet wurde. Kabila hatte Ruanda im Dezember um die Vermittlung gebeten, nachdem Nkundas Kämpfer Ende November eine Großoffensive im Ostkongo begonnen und den Regierungstruppen mehrere blutige Niederlagen zugefügt hatten. Nur das Dazwischengehen indischer UN-Blauhelmsoldaten hinderten Nkundas Kämpfer damals daran, die Provinzhauptstadt Goma einzunehmen. Unabhängigen Schätzungen zufolge forderten die Kämpfe mindestens 170 Tote und trieben 40.000 Menschen in die Flucht. Die massiv eingeflogenen Verstärkungen der Regierungstruppen richteten gegen die Rebellen nichts aus und taten sich vor allem durch Übergriffe gegen die Zivilbevölkerung hervor.
Wenn nun die im Feld ungeschlagenen Rebellen mit den ihnen unterlegenen Regierungseinheiten zusammengelegt werden, fragt sich, wer hier eigentlich wen integriert. Für Nkunda ist das Abkommen eine politische Bestätigung. Während des Kongokrieges 1998–2003 war er General der von Ruanda unterstützten ostkongolesischen Rebellenbewegung RCD (Kongolesische Sammlung für Demokratie), die das östliche Drittel des Kongo regierte. Kurz nach dem Friedensschluss im Kongo 2003, als alle Rebellen zusammen mit Kabila eine Allparteienregierung bildeten, ging er zurück in den Busch. Gegenüber der taz gab Nkunda später als Gründe an, der militärische Flügel der RCD sei bei den Friedenverhandlungen außen vor geblieben, und der Friedensschluss gewähre der ruandischstämmigen Minderheit des Kongo keinen Schutz. 2004 besetzte er kurzzeitig die ostkongolesische Metropole Bukavu, bevor er sich in die mehrheitlich von der ruandischstämmigen Ethnie besiedelten Masisi-Berge nahe Goma zurückzog. Militärisch wurde er danach kontinuierlich stärker, während Kongos Regierung gegen ihn wegen der von seinen Kämpfern in Bukavu verübten Kriegsverbrechen einen internationalen Haftbefehl ausstellte. Den jetzigen Vereinbarungen zufolge fällt dies wohl unter eine Amnestie.
Als Hauptaufgabe der beiden neuen Brigaden gilt die gemeinsame Jagd auf die noch immer in der Region aktiven Hutu-Milizen aus Ruanda. Dies entspricht den politischen Prioritäten Ruandas im Kongo. Nach Ansicht von Nkundas Sympathisanten sollen sie auch die Rückkehr der in den 90er-Jahren aus der Region nach Ruanda vertriebenen kongolesischen Tutsi ermöglichen, deren Zahl auf rund 50.000 geschätzt wird. Dies war eine der politischen Hauptforderungen Nkundas. Seine Familie gehört zu den Flüchtlingen. Für Kongos Präsident Kabila besteht der Vorteil der Vereinbarung darin, dass der Ostkongo, der bei den Wahlen massiv für ihn stimmte, jetzt zum Frieden finden könnte. Kabila revanchiert sich damit auch bei der ruandischstämmigen Minderheit, die ihn bei den Wahlen mehrheitlich unterstützte.
DOMINIC JOHNSON
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