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Briefträger mit Armutslöhnen

Ver.di-Studie zur Liberalisierung des Briefmarktes zeigt: Private Zusteller setzen auf prekäre Beschäftigung. Mindestlöhne und verbindliche Standards gefordert

„Wettbewerbsstrategie auf Grundlage von Lohndumping“

BERLIN taz ■ Der neue Wettbewerb im Briefmarkt wird hauptsächlich auf dem Rücken der Mitarbeiter ausgetragen. Zu diesem Ergebnis kommt die Dienstleistungsgewerkschaft Ver.di in einer Studie, die die Auswirkungen der Post-Liberalisierung untersucht hat. Seit 1997 seien 15.000 Vollzeit-Arbeitsplätze bei der Post verloren gegangen und durch „ungeschützte Minijobs und Armutslöhne“ bei den privaten Konkurrenten ersetzt worden, sagte Ver.di-Vorstand Rolf Büttner gestern in Berlin.

Beim privaten Berliner Post-Konkurrenten PIN AG, der in der Vergangenheit wegen unbezahlten Überstunden und Druck auf Beschäftigte kritisiert worden war, konnte ein neuer Betriebsrat zwar einige Verbesserungen erreichen. Doch auch heute haben 60 Prozent der Beschäftigten befristete Verträge, die Löhne sind mit 950 Euro niedrig und es herrsche weiterhin Personalmangel, sagte Betriebsrat Janosch Mietle der taz. „Einige Überstunden fallen weiterhin einfach unter den Tisch.“

Solche Beispiele sind keine Einzelfälle, sondern die Regel, ergab die Ver.di-Studie, die den liberalisierten Briefmarkt auf breiter empirischer Basis untersucht hat. „Die Post-Konkurrenten verfolgen eine Wettbewerbsstrategie auf der Grundlage von Lohndumping und prekärer Beschäftigung“, sagte Rolf Büttner.

Sozialversicherungspflichtige Beschäftigungen sind bei den neuen Dienstleistern selten. Der Minijobanteil lag 2004 bei 62,3 Prozent. Die Löhne liegen in Westdeutschland 40,9 Prozent und in Ostdeutschland 50,2 Prozent unter dem Einstiegsgehalt für Zustellkräfte bei der Deutschen Post. Damit liegen sie unter der Niedriglohngrenze.

Um diese Entwicklung in der Branche mit rund 200.000 Beschäftigten zu stoppen, fordert Ver.di einen Mindestlohn von 7,50 Euro. Zudem sollte die weitere Liberalisierung des Briefsektors von der Sicherung sozialer Standards abhängig gemacht werden. Die Bundesnetzagentur sei als Regulierungsbehörde aufgefordert, die Lizenzverteilung an die Arbeitsbedingungen zu koppeln. Auch öffentliche Einrichtungen sollten ihre oft großen Aufträge von Tarifen und sozialen Standards abhängig machen. „Es kann nicht sein, dass Kommunen und Behörden beim Porto sparen, bei der staatlichen Unterstützung wie Arbeitslosengeld II aber draufzahlen“, sagte Büttner. Denn Armutslöhne belasten auch die sozialen Sicherungssysteme, wenn relevante Teile der Beschäftigten bei den neuen Dienstleistern neben einer Vollzeitstelle noch Anspruch auf ergänzendes Arbeitslosengeld haben.

Mit dem SPD-Vorsitzenden Kurt Beck will Ver.di eine gemeinsame Arbeitsgruppe einrichten, um politische Maßnahmen zu verabreden. Ab März sollen die Beschäftigten mobilisiert werden. MIRJAM NEEBE

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