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nebensachen aus pragTschechiens Regierungschef: Ein ganzer Kerl oder ein Wallach(e) mit Eiern

Und da heißt es immer, man soll Politiker nicht beim Wort nehmen. Ein „Kerl mit Eiern“ sei er, tönte Mirek Topolanek, der tschechische Ministerpräsident, als er im vorigen Jahr den Wahlkampf einläutete. Zuerst haben wir hier alle gedacht, das sei bloß ein Schlachtruf aus Topolaneks nordmährischer Heimat, der Wallachei. Dass er uns auf die ihm eigene, nicht besonders eloquente Art etwas mitteilen will. So etwas wie: Passt auf, ihr Prager Weicheier, jetzt kommt einer, der es ernst meint. Eine Potenzbestie, die so richtig anpacken wird. Ein Wallache mit Eiern.

Inzwischen weiß ganz Tschechien, was dabei herauskommt, wenn ein Politiker es ernst meint: ein Junge oder ein Mädchen. Anscheinend wollte es Topolanek bei seinem ganzen Eiergedöns partout nicht bei der Metapher lassen: Er schwängerte seine Geliebte. Eine blonde Enddreißigerin, Parteifreundin, Abgeordnete und neuerdings stellvertretende Vorsitzende des tschechischen Abgeordnetenhauses. Jahrelang habe sie in ihrer vorherigen Beziehung versucht, schwanger zu werden, ließ sie durchblicken. Geschnackelt hat es aber erst mit beziehungsweise dank Topolanek. Zufall oder Mythenbildung?

Genauso lobenswert wie die Offenheit des Fünfzigjährigen hinsichtlich seiner Potenz ist sein persönlicher Einsatz für das Wohl des Landes. Da jammern Politiker querbeet durchs Parteienspektrum schon seit Jahren, dass die Geburtenzahlen im Land sinken. Endlich ein Regierungschef, der es vormacht. Das im Sommer erwartete Politbaby ist immerhin schon sein viertes Kind.

Die anderen drei sowie Topolaneks erster Enkel sind der tschechischen Öffentlichkeit nicht unbekannt. Von jedem zweiten Wahlplakat lächelten sie auf den Wähler herab. Noch nie zuvor hatte jemand so mit seiner Familie Wahlkampf gemacht wie Topolanek. Angefangen hatte es im Dezember 2002 auf dem Parteitag der konservativ-liberalen Bürgerpartei (ODS). Da hatte Topolaneks Frau Pavla eine „ganz spontane“ Rede hingelegt, in der sie ihren Gatten für den Parteivorsitz anpries. Und so wurde der Politiker Topolanek zum Familienunternehmen nach US-Vorbild. Es war ab und zu schon zum Zähneknirschen, wie er permanent seine Frau erwähnte, wie dankbar er ihr sei und wie sehr sie ihm eine Stütze sei und so weiter und so fort.

Das Ganze ging so weit, dass Pavla Topolankova den Beinamen „Hillary“ bekam. Dass sie jetzt eher Hillu als Hillary ist, wollte sich die ehemalige Lehrerin nicht gefallen lassen. Sie machte die Untreue des Gatten öffentlich und meldete selbst politische Ambitionen an. Die Medien griffen das Thema genüsslich auf und spekulierten über Topolaneks „Stehvermögen“. Denn je länger das Schicksal seiner Regierung unklar blieb, desto mehr regten sich Zweifel an Topolaneks Potenz. Schon machten Gerüchte die Runde, ob er denn überhaupt der Vater des Kindes sei, das die Geliebte erwartet. Doch inzwischen steht bei Topolanek auch die Regierung. Unsicherheit herrscht nur noch bei den Buchmachern. Ob es ein Junge wird oder ein Mädchen. Wetten werden noch angenommen.

SASCHA MOSTYN

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