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Doll hätte es werden können

Der Trainer des Hamburger SV geht nach langer Leidenszeit und hinterlässt einen Klub, der am Tabellenende steht. Ist das strategische Projekt der Hamburger am Ende, vor allem wenn Felix Magath jetzt den Chefposten übernimmt?

BERLIN taz ■ Thomas Doll ist ein konsequenter Trainer. Das erkennt man daran, dass er den HSV auf dem letzten Platz übernommen und jetzt wieder übergeben hat. Der Kreis hat sich geschlossen. Es ist ein Teufelskreis, in dessen Mitte sich das Martyrium eines Mannes abspielte, der nicht lassen konnte vom Objekt seines Leidens. Immer wieder schwor er seine Treue zu einem Projekt, das längst danebengegangen war. Das hatte Format.

Der Hamburger SV sollte ja eigentlich aufrücken in die Phalanx der europäischen Großvereine, er sollte in der Champions League seinen Stammplatz finden und an alte Tage anknüpfen. Deswegen hatten Doll, 40, und Sportdirektor Dietmar Beiersdorfer ein Projekt ins Leben gerufen, das Modernität, Frische und Nachhaltigkeit versprach. Es funktionierte eine Saison lang. Dann kam der Einbruch. Der HSV war noch nicht so gefestigt, als dass er die Begehrlichkeiten der echten europäischen Großvereine hätte abwehren können. So wurde der Nordklub leergekauft. Die Strategen von der Elbe fanden keinen adäquaten Ersatz für Barbarez, van Buyten und Boulahrouz, Verletzungspech kam hinzu. Eine negative Dynamik, der Doll nur noch seinen Optimismus entgegensetzen konnte, entwickelte sich. Er wurde in seinem aufrechten Kampf gegen die Misstände zum Helden des HSV. Je tiefer der Klub in der Tabelle rutschte, desto besser stand er in den Umfragen da.

Doll ist ein grundsympathischer Mensch, keine Frage. Er hat die Gabe, seinem Gesprächspartner zu vermitteln, wichtig zu sein und im Mittelpunkt von Dolls Aufmerksamkeit zu stehen. Weil dadurch fast so etwas wie Kumpelhaftigkeit entsteht, musste Doll in seinen frühen HSV-Tagen oftmals erklären, dass er nicht in erster Linie ein Freund der Spieler und Journalisten sei, sondern eine Autorität mit großen Ambitionen. Doch irgendwann muss ein kleiner Graben entstanden sein zwischen der duften Truppe und dem Sympathikus. Vielleicht lag es daran, dass Visionäre im Fußball einen schlechten Stand haben, wenn es nicht richtig läuft und sie nicht morgen schon nach Kalifornien abdüsen können.

In seinen besten Trainertagen imponierte Doll als Defensivstratege. Die Viererabwehrkette des HSV spielte in der vergangenen Saison formidabel, täuschte aber damals in ihrer schieren Unüberwindlichkeit über Schwächen im Angriff hinweg. Jetzt, da Abwehr und Angriff schwach sind, ist Doll zum Medienphänomen geschrumpft. Diese Sätze bleiben: „Ich gebe nicht auf. Zurzeit schießen wir zwar den gegnerischen Torwart berühmt und der Fußballgott hat kein HSV-Hemd mehr an, aber wenn wir geduldig und hart arbeiten, kommen wieder bessere Zeiten.“ Doll hat in den vergangenen Wochen immer wieder geduldig und hart vor den Kameras gearbeitet und seine Sätze gesagt, die längst jeder kannte. Seine Zuversicht war so groß und unerschütterlich wie die zweifelhafter PR-Fritzen vom Schlage eines Moritz Hunzinger. Doll wusste, dass er allsamstäglich „die gleiche Schallplatte“ auflegte. Aber was sollte er machen? Sein Team spielte miserabel, er selbst wollte durchhalten, und sein Chef, Bernd Hoffmann, sagte, der Trainer habe den sichersten Arbeitsplatz der Welt. Aber auch garantierte Jobs enden irgendwann. Für Doll war nach dem 20. Spieltag Schluss. In der Rückrunde sind nur zwei Punkte herausgesprungen, zu wenig. Am Mittwoch konnte Energie Cottbus nicht besiegt werden. Danach war klar, dass Doll umschwenken würde. Der Optimist wurde schwermütig. Sein Auftritt bei der Pressekonferenz markierte den emotionalen Bruch. Die Schallplatte zerbrach – endlich, sagen jetzt viele.

Doll gewinnt durch diese neuen Töne sicher noch mehr Sympathien. „Wir bedauern diese Entscheidung. Wir waren überzeugt, die Wende mit Thomas Doll zu schaffen“, sagte Hoffmann, und das kann man – entgegen sonstigen Gepflogenheiten der Branche – glauben, denn Hoffmann nahm teil am Projekt eines großen HSV. Doch auch er musste „nach den Eindrücken und Ergebnissen der vergangenen beiden Spiele jetzt reagieren“. Reagieren auf den Abstiegskampf. Doll, wie kann es anders sein, macht Mut: „Ich hoffe, dass die Mannschaft schnell die Kurve bekommt“, sagte er. Felix Magath, 53, könnte künftig das Team trainieren. Zu Verhandlungen in Hamburg weilte er gestern bereits. MARKUS VÖLKER

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