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Notlösung Anstalt: Uwe K. eingewiesen

Was tun mit dem entlassenen Sexualtäter? Brandenburg psychiatrisiert ihn kurzerhand – ein umstrittener Weg

Uwe K. soll in die Psychiatrie. Von einer Erkrankung war nichts bekannt

BERLIN taz ■ Die Stadt Brandenburg/Havel hat beantragt, den jüngst entlassenen Sexualtäter Uwe K. in einem psychiatrischen Krankenhaus unterzubringen. Am Montag wurde von Amtsarzt Uwe Peters der entsprechende Antrag gestellt. Das örtliche Amtsgericht gab gestern dem Antrag statt. Der Mann war bereits am Montag in eine Klinik gebracht worden.

Der Fall ist brisant, weil Uwe K. vermutlich gar nicht psychisch krank ist. Uwe K. hatte von 1992 bis 1995 neun Mädchen vergewaltigt. Er lebte in Falkensee in sozial schwierigen Verhältnissen, die Mädchen aus der Nachbarschaft kamen freiwillig zu ihm, weil er sich um sie kümmerte. Er missbrauchte ihr Vertrauen. Das Landgericht Potsdam verurteilte K. zunächst zu 14 Jahren Haft plus anschließender Sicherungsverwahrung. Der Bundesgerichtshof beanstandete dies aber, weil es in den neuen Ländern bis 1995 keine Sicherungsverwahrung gab.

Da es in der Haft keine neuen gravierenden Vorfälle gab, konnte auch keine nachträgliche Sicherungsverwahrung beantragt werden. Die Brandenburger Landesregierung forderte deshalb vom Bund eine Gesetzesänderung, um „Altfälle“ wie K. nicht entlassen zu müssen. Immerhin hatten zwei Gutachter bei K. „unvermindert fortbestehende Gefährlichkeit“ attestiert. Auch der Brandenburger Generalstaatsanwalt Erardo Rautenberg bezeichnete K. als tickende Zeitbombe.

Am 25. Januar wurde K. aus der Haft entlassen, einige Tage früher, als die Landesregierung dachte, weil ihm – wie vielen Häftlingen – die zeitweise rechtswidrig schlechte Bezahlung für Knastarbeit strafmindernd angerechnet wurde. Das hatte die Staatsanwaltschaft der Landesregierung aber nicht mitgeteilt.

K. war nach Darstellung des Potsdamer Justizministeriums wie vorgesehen in ein betreutes Wohnheim für entlassene Strafgefangene eingezogen. Dort wollte man auch verhindern, dass er wieder soziale Kontakte zu jungen Mädchen aufnimmt. Zudem wurde ihm eine Therapie aufgegeben, er musste Schulhöfe und Kindergärten meiden.

Doch weil die Aufregung um seinen Fall plötzlich so groß war, wurde K. Ende letzter Woche von der Polizei mit Billigung des Amtsgerichts in Vorbeugehaft genommen, um eine „Gefährdungsanalyse“ zu erstellen. Und das, obwohl fast alles nach Plan gelaufen ist – bis auf die Kommunikationspanne über den Entlassungstermin, für die K. nichts konnte.

Da die Vorbeugehaft maximal vier Tage dauern darf, wäre K. gestern entlassen worden. Doch am Montag zauberte die Brandenburger Stadtverwaltung plötzlich die Idee aus dem Hut, K. in die Psychiatrie zu stecken. Nach dem Brandenburger Psychisch-Kranken-Gesetz ist dies jedoch nur möglich, wenn K. durch „krankheitsbedingtes Verhalten“ eine Gefahr für sich oder andere darstellt. Die bloße Gefährlichkeit genügt also nicht, sie muss krankhafte Ursachen haben. Doch von einer psychischen Erkrankung des Häftlings war bisher nie die Rede gewesen. Sonst hätte man ihn ja auch erst gar nicht entlassen. Amtsarzt Uwe Peters hatte vor seinem überraschenden Antrag am Montag mit K. gesprochen und die bisherigen Gutachten zu Rate gezogen. CHRISTIAN RATH

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