: Selbstimitation mit Zugabe
Die DFB-Auswahl präsentiert sich beim 3:1-Testspielerfolg gegen die Schweiz als hoch motivierte Rotationsmaschine. Joachim Löw hält weiter Kurs auf die behutsame Modernisierung des Teams
AUS DÜSSELDORFMARTIN TEIGELER
Es war ein Zusammentreffen der alten Jürgen-Klinsmann-Nationalmannschaft mit der neuen Jogi-Löw-Auswahl. Als DFB-Debütant Mario Gomez am Mittwochabend in der 58. Minute ausgewechselt wurde, fiel die Belobigung des verletzten WM-Veteranen Bernd Schneider ein wenig arrogant aus. Während die 51.333 Zuschauer in der Düsseldorfer Arena den jungen Stürmer bejubelten, hatte Reservist Schneider für Gomez nur einen wurstigen Tätschler mit der Hand übrig. Ganz gut gemacht, sollte das wohl heißen, mehr aber nicht – kein Grund zur Euphorie. Zwar hatte Gomez ein Tor und eine gute Leistung beim 3:1-Testspielerfolg gegen die Schweiz abgeliefert – doch die Hierarchien und Grenzen zwischen alten Helden wie Schneider und neuen Sternchen wie Gomez blieben dennoch spürbar im Nationalteam.
Der Freundschaftskick im überdachten und beheizten Hallenstadion am Rhein wurde auch sonst von Motiven und Akteuren der letzten Fußball-Weltmeisterschaft beherrscht. Die Fans kreischten sich in dem verschwitzt-milden Hallenklima zurück in den Sommer 2006 – und sahen eine Wiederaufführung zentraler WM-Versatzstücke. Besonders gut imitierte die deutsche Abwehrreihe ihre Auftritte des letzten Großturniers. Arne Friedrich, Per Mertesacker, Christoph Metzelder und Philipp Lahm konnten sich erstmals seit der Dortmunder Halbfinalniederlage gegen den späteren Weltmeister wieder viererverketten – und sie taten dies, als würden nicht Schweizer, sondern wie einst Argentinier oder Italiener angreifen. Man habe „im Training wieder gemeinsam Automatismen“ geübt, sagte hinterher Koabwehrchef Metzelder. Es klang so, als ob die Einstudiererei zu viert Spaß gemacht hätte.
Ein nostalgisches WM-Revival feierten auch die Mittelfeldspieler Torsten Frings und Michael Ballack. Der Kapitän der DFB-Auswahl gab erneut den unterkühlten, überlegenen Aufbauspieler mit progressiven Ambitionen, der er im Mittelfeld von Chelsea London systembedingt und wegen Claude Makelele und Frank Lampard so nicht sein kann. Frings gewann fast alle Zweikämpfe im defensiven Mittelfeld und erzielte per Freistoß das zwischenzeitliche 3:0 gegen den wirren Schweizer Torwart Benaglio. Ballack hatte sich zu diesem Zeitpunkt bereits auswechseln lassen – die große Wiederaufführung war vorbei.
Doch das Anknüpfen an gute WM-Traditionen allein hätte Bundestrainer Löw in Düsseldorf wohl nicht befriedigt. Vor dem EM-Qualifikationsspiel im März gegen Tschechien sollte die deutsche Elf beweisen, dass die behutsame Modernisierung des Teams weitergeht. Im Vorfeld des Schweiz-Spiels hatte Löw trotz murrender Stimmen aus der Bundesliga darauf beharrt, dass die Weiterentwicklung der Nationalmannschaft auch im Übergangsjahr 2007 Priorität für den gesamten deutschen Fußball haben müsse. „Es ist mir wichtig, dass wir auch in einem Jahr ohne großes Turnier hoch motiviert auftreten“, sagte Löw nach Spielende in Düsseldorf. Dass neue Spieler wie der Stuttgarter Gomez, der Bremer Clemens Fritz und der Rückkehrer Kevin Kuranyi gute Leistungen gezeigt hatten, bezeichnete Löw als „tolles Gefühl“. Schlechtere Leistungen wie des formschwachen Bayern-Spielers Bastian Schweinsteiger mochte der DFB-Coach nicht bekritteln. Es gebe „eine absolute Zufriedenheit mit seiner Entwicklung“, so Joachim Löw über Schweinsteiger. Der Jungstar werde „diese Talsohle durchschreiten“, fand der Trainer erbauliche Worte.
Zweifel über den sportlichen Wert des ersten Jahreserfolgs könnten den DFB-Verantwortlichen aber wegen des Niveaus des Gegners gekommen sein. Der Gastgeber der kommenden Europameisterschaft spielte in Düsseldorf neutral bis devot mit – entsprechend dünner wurden im Verlauf des Spiels die „Super Nati“-Rufe der Schweizer Fans. Die mit Bundesliga-Cameos wie den Borussen-Zwillingen Philipp (Dortmund) und David (Mönchengladbach) Degen gespickte Eidgenossen-Elf erreichte nicht ihre alte WM-Form. Trainer Köbi Kuhn musste sich deshalb von Schweizer Journalisten den Vorwurf taktischer Spielerei gefallen lassen. Kuhn schob die Niederlage auf die Stärke des Gegners. Er habe eine „große deutsche Nationalmannschaft“ gesehen, die phasenweise eine „fantastische Leistung“ gezeigt hatte.
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