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Wintermärchen Teil 2

Zur Handballpartie Füchse gegen Magdeburg kamen viermal so viele Zuschauer als gewohnt – obwohl die Berliner Niederlage absehbar war

von Johannes Kopp

Kurz vor Spielbeginn trat Bob Hanning überraschend ans Mikrofon. „Ich würde mich sehr freuen, wenn dies heute der Anfang einer tollen Zeit in Berlin wird“, verkündete der Manager der Füchse Berlin den 3.139 Zuschauern im Horst-Korber-Zentrum. Hanning war überwältigt vom großen Publikumsinteresse an der Zweitligapartie gegen das Reserveteam des SC Magdeburg. Die Ursache war klar: Das deutsche Handballnationalteam hat mit seinem WM-Titelgewinn eine Woche zuvor einen Boom ausgelöst.

Das Ausmaß der Euphorie überraschte dennoch. Hanning hatte – vermeintlich großzügig – für den Freitagabend doppelt so viele Zuschauer wie sonst in Charlottenburg einkalkuliert. Gekommen waren aber viermal so viele. Das war erstaunlich – zumal das Leistungsgefälle zwischen den Berlinern und Magdeburgern eine wenig spannende Partie versprach. Mit einem Blick auf die Tabelle hätten selbst die vielen Handballlaien im Publikum den Ausgang der Partie richtig vorausgesagt. Dem verlustpunktfreien Tabellenführer genügte eine mäßige Leistung zum 32:25 Erfolg. Füchse-Trainer Uwe-Jörn Lommel wollte das gar nicht beschönigen. Nach sechs Wochen Pause sei dies normal, erklärte er, und forderte: „Man muss den Spielern noch zwei bis drei Wochen Zeit lassen, die harte Trainingsarbeit der letzten Wochen zu verdauen.“

Eine Werbung für den Handballsport bekamen die WM-Berauschten also nicht zu sehen. Das schien aber auch einerlei zu sein. Den Zuschauern bereitete es schon Vergnügen, die während der WM lieb gewonnenen Gassenhauer „Viva Colonia“ und „Wenn nicht jetzt, wann dann?“ hören und beklatschen zu dürfen. Oder man erfreute sich daran, immerfort durch den Jingle „Put your hands up in the air“ zur kollektiven Gymnastik animiert zu werden. Hanning reagierte gereizt auf Mutmaßungen, es könnte sich hierbei um eine kurzweilige Modeerscheinung handeln. „Jetzt genießt doch, dass es so ist, wie es ist“, forderte er von den Journalisten.

Für die Füchse Berlin könnte der Euphorieschub von außen zu keinem günstigeren Zeitpunkt kommen. Schließlich wollen die neuen, durch die WM erfolgsverwöhnten Handballfans weiterfeiern – und nirgendwo können sie das derzeit besser tun als in Berlin. Die Füchse befinden sich im Aufwind, und sie haben noch großen Spielraum nach oben. Vor anderthalb Jahren engagierte der am Rande der Insolvenz stehende Verein Hanning, der mit der Mission antrat: In zwei Jahren soll in Berlin erstklassiger Handball geboten werden.

Den Vereinsmanager schreckte das Wissen nicht, dafür den Etat innerhalb eines Jahres um das 18-Fache in die Höhe schrauben zu müssen. „Wir haben markige Sprüche in die Welt gesetzt, aber wir haben Wort gehalten“, sagt er heute zufrieden. Hanning hat die Sponsoren mit seiner Geschichte vom schlafenden Handballriesen überzeugt. Bei der Geschäftsstelle kann man bereits Dauerkarten für die 1. Liga bestellen. Hanning warnt trotzdem: „Wir müssen erst noch zwölf Spiele gewinnen. Wir wollen nicht arrogant erscheinen.“

Das klingt einfacher als es ist, müssen doch die Geldgeber weiter angelockt werden. So sorgte Hanning vor einer Woche für gewolltes Aufsehen, indem er bekannte, er wolle den Nationalspieler und WM-Shootingstar Michael Kraus zu den Füchsen holen. Es darf bezweifelt werden, dass Kraus zu einem Aufsteiger wechselt. Aber Hanning geht es mit solchen Avancen vermutlich um etwas anderes. Er will zeigen: In Berlin ist fast alles möglich.

Die restlichen Saisonspiele werden nun wieder in der Max-Schmeling-Halle ausgetragen. Dort ist der Zuschauerzuspruch erfahrungsgemäß noch größer. Es darf mit weiteren Rekordbesuchen gerechnet werden.

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