: Landei vom Dienst
Der Schauspieler Maximilian Brückner, 28, ist der deutsche Shooting-Star der Berlinale 2007. Dieser Preis soll ihn europaweit bekannt machen. Dabei ist Deutschlands jüngster „Tatort“-Kommissar und notorischer Kumpel-Darsteller ein überzeugter Provinzbewohner. Ist der Trubel in seinem Sinn?
VON DAVID DENK
Verabschiedung. Händeschütteln. Lächeln. Journalistin ab. Der Nächste, bitte! Wieder Händeschütteln. Wieder lächeln. Namen sagen. Telefon klingelt. Darf ich kurz? Na klar. Ein Regisseur ist dran. Neues Projekt. Auflegen. Hinsetzen. Interview. Zehn Minuten. Dann wieder von vorn. Willkommen im Leben von Maximilian Brückner. Vier Tage ist der 28-Jährige auf der Berlinale, vier Tage ohne einen einzigen Kinobesuch. Vier Interviews pro Stunde gibt er heute. Die Journalisten kommen und gehen; die Fragen bleiben die gleichen.
Von Maximilian Brückner wollen immer alle wissen, warum er auf dem Land lebt. Gründe gibt es viele: Geschwister, Landluft, Freunde, Berge, Blasmusik. Brückner wird nicht müde, sie zu wiederholen und sich dafür zu rechtfertigen: „Es ist ja nicht so, dass ich, bloß weil ich auf’m Land lebe, keine Ahnung von Tuten und Blasen habe … Ich war auf’m Gymnasium, ich weiß, wie die Erde aussieht: Sie ist rund. Wir haben auch Strom und fließend Wasser. Ich will meine kleine Schwester aufwachsen sehen, wir sind 18 Jahre auseinander. Und in Berlin würde ich wenig von ihr haben. Die beiden Brüder, mit denen ich zusammenwohne, sind eigentlich meine besten Freunde. Das muss ja sonst keiner toll finden, ich will aus dem Landleben keine Religion machen, für mich ist es aber die schönste Ecke überhaupt. Wir sind eine ganz besondere Familie, mit acht Kindern. Das ist sehr selten und schweißt unheimlich zusammen. Ich hab wahnsinnig tolle Freunde da draußen. Auf die kann ich immer zählen. Ich will nicht sagen, dass ich das in der Stadt nicht gefunden hätte – aber es wäre wohl schwieriger gewesen.“
Im Grunde geht es in den 17 Minuten Interview nur um die Verteidigung eines Lebensentwurfs – dabei hat man nur gefragt, ob er nach dem Abitur nie das Gefühl hatte, wegzumüssen – zumindest vorübergehend. „So einen trifft man sicher im Café 103 in Berlin, Brombeerschorle trinkend und mit American-Apparel-Schal um den Hals“, beschreibt eine Journalistin die Erwartungshaltung der Öffentlichkeit gegenüber Jungschauspielern in einem Text über Maximilian Brückner: „Aber nein, seine Adresse lautet: Riedering, ein Bauernhof am Simssee.“
Wumms, der Schlag sitzt! Maximilian Brückner erhebt für seinen Lebensentwurf nicht den Anspruch auf Allgemeingültigkeit – im Gegensatz zu all den aus der Provinz zugezogenen Berlin-Jüngern, die den Bezirk Mitte für den Mittelpunkt der Welt halten, darunter viele Journalisten und Filmleute. Und die vermuten hinter Brückners Entscheidung für Spezi und Wirtshaus eine Ablehnung, ja gar Verurteilung ihres Lebensstils – irrational, aber wahr. Und wem die Branche suspekt ist, der ist der Branche suspekt. Maximilian Brückner ist ein Fremdkörper – aber einer, der sich so leicht nicht abstoßen lässt. Dafür macht er seinen Job einfach zu gut – als Schauspieler und Exot. Das Landei vom Dienst. So lässt sich die Geschichte in den Redaktionen gut verkaufen. Jungschauspieler gibt es viele da draußen, da muss man sich schon ein bisschen abheben vom Rest.
Maximilian Brückner, klein, drahtig, blond, blaue Augen, ist der deutsche Shooting-Star 2007. Eines von 25 jungen europäischen Schauspieltalenten, die ringsum Interviews geben oder für Fotos posieren, gekürt von den nationalen Filmvermarktern. Eine gigantische Promotion-Maschinerie. Daniel Craig war einst Shooting-Star, Ludivine Sagnier, Rachel Weisz auch. Und Franka Potente, Nina Hoss, Moritz Bleibtreu, Jürgen Vogel, Daniel Brühl. Eigentlich alle bekannten deutschen Schauspieler der letzten zehn Jahre. „Du musst das richtige Gesicht für diese Auszeichnung haben, aber da ist auch viel Glück dabei“, spielt Brückner die Ehrung herunter. „Wie beim ersten Film, wo du erst mal reinkommen musst. Dann muss es weitergehen. Alles Glückssache.“
Wenn das so ist, hat Maximilian Brückner verdammt viel Glück gehabt. Aber natürlich ist es nicht so. „Letztendlich hat meine Karriere der da oben in der Hand und nicht ich“, sagt Brückner und macht sich mit Hilfe eines weiteren Bayern-Klischees noch kleiner. Ein Täuschungsmanöver. Denn Brückner überlässt nichts dem Zufall und geht seine Karriere strategisch an: „Im Gegensatz zu vielen Kollegen hier habe ich letztes Jahr viele Hauptrollen abgelehnt und kleinere Sachen gemacht – ganz verschiedene Genres und Rollen. Und das zahlt sich jetzt aus. Mir werden jetzt auch ganz andere Rollen angeboten als die, mit denen ich angefangen habe und von denen ich wegwollte.“ Anstatt des notorisch unkomplizierten Kumpel-Typen gibt Brückner nun auch mal einen schmierigen Reporter, wie in „Schwere Jungs“ von Marcus H. Rosenmüller, der derzeit in den Kinos läuft. Ziel erreicht.
Vielleicht ist es Brückner aber doch ganz recht, für einen sympathischen Hinterwäldler gehalten, unterschätzt zu werden – auch wenn er immer wieder beteuert, aus seinem Leben auf dem Land keine Show machen zu wollen. Das wird vielleicht nicht mehr lange funktionieren, aber noch erfüllt es seinen Zweck: ihn im Gespräch zu halten, ihm die Möglichkeit zu geben, weiterzuarbeiten, bis er sich etabliert hat.
Im März und April wird Maximilian Brückner mit Doris Dörrie in Tokio drehen: „Für diese Rolle werden mir die Haare gefärbt und ich kriege Kontaktlinsen. Man könnte es sich einfacher machen als Regisseur und einen Schauspieler nehmen, der die passende Haar- und Augenfarbe hat. Den gibt’s bestimmt. Aber Doris Dörrie will mich. Und das macht mich stolz.“
Über die Rolle des Saarbrücker „Tatort“-Kommissars Franz Kappl, den er seit Herbst spielt, hat Brückner neulich gesagt, er sei ihm nicht sonderlich sympathisch, dieser Karrierist. Der erste Gedanke: Ganz schön mutig! Der jüngste Ermittler in der Geschichte der Krimireihe sägt an dem Ast, auf dem er sitzt. Das ist natürlich Quatsch: Ein Schauspieler muss seine Rolle nicht mögen, um sie überzeugend auszufüllen. Und oft sind einem ja gerade die Menschen unsympathisch, die einem ähnlich sind.
Der Regisseur Dieter Wedel hat mal über Maximilian Brückner gesagt: „Man kann als Regisseur nur dankbar sein, dass es solche Talente gibt.“ Er hat mit Brückner den Zweiteiler „Papa & Mama“ gedreht und das Fernsehspiel „Mein alter Freund Fritz“, das im Frühjahr ausgestrahlt wird. „Einem echten Talent hat auch früher die unsäglichste Provinz nicht geschadet“, hat Wedel noch gesagt. „Ich hasse es, wenn man Dinge aus Unwissenheit verachtet.“ Das allerdings ist O-Ton Maximilian Brückner.
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