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Archiv-Artikel

„Die Wohnung ist unverletzlich“

taz: Herr Jahn, wenn die Polizei Spionage-Software auf private Festplatten einschleust, ist dies derzeit illegal, so der BGH. Kann der Bundestag die fehlende Rechtsgrundlage nun einfach schaffen?

Matthias Jahn: Eine einfache Gesetzesänderung würde hier wahrscheinlich nicht genügen. Vielmehr müsste wohl erst mal das Grundgesetz ergänzt werden. Wer die Onlinedurchsuchung von Computern zulassen will, bräuchte dafür also nicht nur eine einfache Mehrheit, sondern die Zweidrittelmehrheit in Bundestag und Bundesrat.

Warum?

Weil auch Artikel 13 des Grundgesetzes betroffen ist, der besagt: „Die Wohnung ist unverletzlich.“ Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts sind dadurch sogar Geschäftsräume geschützt.

Das Grundgesetz erlaubt doch auch Eingriffe in Wohn- und Geschäftsräume …

Ja, aber nicht alle. Möglich sind unter bestimmten Voraussetzungen klassische Hausdurchsuchungen oder der sogenannte Große Lauschangriff, also das Belauschen der Wohnung mit Wanzen und Richtmikrofonen. Sonstige polizeiliche Eingriffe wie Onlinedurchsuchungen sind nur zur Abwehr einer Gefahr – nicht aber zur Strafverfolgung – möglich.

Warum stellen Sie so auf die Wohnung ab? Mit meinem Laptop arbeite ich doch auch im Zug und an vielen anderen Orten …

Natürlich kann ein Computer in Zeiten von WLAN und UMTS auch außerhalb der Wohnung mit dem Internet verbunden sein. Die meisten Rechner stehen aber nun mal in Wohn- und Geschäftsräumen.

Warum soll mein Computer in der Wohnung besser geschützt sein als unterwegs? Er ist doch immer ein Teil von mir …

Weil ich für einen Computer, der in einer Wohnung steht, höhere Schutzerwartungen habe, zum Beispiel, dass die Polizei grundsätzlich nur mit einem richterlichen Durchsuchungsbeschluss und in meiner Anwesenheit auf das Gerät zugreifen kann. Die auf der Festplatte abgelegten Dateien sind insofern mindestens ebenso schützenswert wie Schriftstücke, die ich in die heimische Schreibtischschublade lege.

In Nordrhein-Westfalen gibt es seit kurzem ein Gesetz, das dem Landes-Verfassungsschutz Onlinedurchsuchungen erlaubt. Ist das Gesetz ohne Änderung des Grundgesetzes verfassungswidrig?

Nicht unbedingt, denn der Verfassungsschutz dient der Gefahrenabwehr und nicht der Strafverfolgung. Bei der Gefahrenabwehr sind die Hürden des Grundgesetzes niedriger. Ob diese eingehalten sind, wird das Bundesverfassungsgericht wohl bald zu prüfen haben, da gegen das Gesetz schon Verfassungsbeschwerden angekündigt sind.

Interview: Christian Rath