: Recht aufs Konto auch bei Pleite
Justizministerin Zypries will ein „pfändungsfreies“ Konto einführen und so dem Recht auf ein Girokonto für alle näherkommen. Grundbeträge sollen geschützt werden. Weniger Aufwand für Banken und weniger Grund, „unzumutbaren“ Kunden zu kündigen
AUS BERLIN CHRISTIAN RATH
Justizministerin Brigitte Zypries (SPD) will ein pfändungsfreies Girokonto einführen. Das sogenannte P-Konto soll Schuldner, Banken sowie Gerichte entlasten und ein wichtiger Zwischenschritt zum gesetzlichen Recht auf ein Girokonto sein.
Rund 500.000 Menschen in Deutschland haben kein Girokonto, schätzt die AG Schuldnerberatung der Verbände. Sie haben oft Probleme, einen Mietvertrag oder einen Festnetzanschluss zu erhalten, denn ein Konto gilt weithin als Beleg der Zahlungsfähigkeit. Seit 1995 gibt es zwar eine Selbstverpflichtung der Bankenverbände, dass jeder Interessent ein Girokonto auf Guthabenbasis erhält, das also nicht überzogen werden darf. Sparkassen sind in vielen Bundesländern dazu sogar gesetzlich verpflichtet. Inzwischen gibt es nach Bankenangaben bundesweit 1,9 Millionen derartige Jedermann-Konten. Allerdings können Banken und Sparkassen die Kontoführung immer noch ablehnen, wenn sie „unzumutbar“ ist. In rund 60 Prozent der Fälle wird eine Kontenkündigung damit begründet, dass das Konto zu häufig gepfändet wird – was der Bank viel Aufwand verursacht.
Deshalb will Zypries nun ein pfändungsfreies Konto einführen. Bei solchen Konten wäre der monatliche pfändungsfreie Betrag von 985,15 Euro automatisch vor Pfändung geschützt. Für die erste unterhaltsberechtigte Person, zum Beispiel die Ehefrau, kämen monatlich 370,76 Euro dazu, für jede weitere Person, zum Beispiel Kinder, 206,56 Euro. Geschützt wären dabei alle Arten von Einkommen, also Arbeitslohn, Rente, Sozialleistungen und sogar die Einkünfte von Selbstständigen. Gestern stellte Zypries die Eckpunkte der Reform vor, noch vor der Sommerpause soll ein Gesetzentwurf im Bundeskabinett beschlossen werden.
„Das neue P-Konto bringt Vorteile für alle Beteiligten“, sagte Zypries. Denn die Pfändungsgrenzen gelten auch heute schon, bislang muss der Schuldner aber erst einen gerichtlichen Beschluss einholen, um sein Konto wieder nutzen zu können. Die Neuregelung würde also Schuldnern, Gerichten und Banken viel Schreibkram ersparen. Ein weiterer Vorteil für den Schuldner: Bisher war das Konto nach einem Pfändungsbeschluss bis zum Gerichtsbeschluss tagelang gesperrt, er konnte in dieser Zeit also keine Rechnungen bezahlen und nicht einmal Geld für Einkäufe abheben. Auch solche Sperrzeiten wären künftig überflüssig.
Anspruch auf ein pfändungsfreies P-Konto hätte allerdings nur, wer jetzt schon über ein Girokonto verfügt. Wer derzeit kein Konto hat, kann auch kein P-Konto verlangen. Dennoch hofft Zypries, dass viele Banken die Kontoführung für solche Menschen nicht mehr als unzumutbar ansehen, weil sie nicht mehr ganze Abteilungen für die Abwicklung der Pfändungsfälle brauchen.
Zypries hat auch ihre Pläne für ein gesetzliches „Recht auf ein Girokonto“ noch nicht aufgegeben. Darüber muss sie sich jedoch noch mit Finanzminister Peer Steinbrück (SPD) einigen.
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