BERLINER PLATTEN: Eine Punkband mit guter Rockplatte und flott gespielter Bikerrock
Jana Pallaske ist Schauspielerin. Die Kleine mit dem Schmollmund. Die aus „alaska.de“, „Engel & Joe“ oder „Was nützt die Liebe in Gedanken“. So, das ist schön, dass wir das geklärt haben: Es sind zwar unverzichtbare Informationen, aber Pallaske legt größten Wert darauf, dass ihr Broterwerb nicht das Schaffen ihrer Band überschattet. Die heißt Spitting Off Tall Buildings, und das ist nicht nur der Name für eine Punkband, das ist eine Punkband. Oder, muss man nun aktualisieren, war wohl mal eine. Jedenfalls klingt das zweite Album „Good Night and Good Luck“ vergleichsweise schaumgebremst. Der zwei Jahre alte Vorgänger war ein wie eilig hingerotztes, hysterisch japsendes, nachgerade klassisches Punkalbum. Nun aber hört man das zumindest in diesem Genre arg zweifelhafte Bemühen erwachsener zu werden, solides Handwerk abzuliefern. Das Tempo liegt vorzugsweise im mittelschnellen Bereich, es finden sich sogar ein paar Stücke, die als Balladen diffamierbar wären. Was seltsam ist, denn produziert hat kein Geringerer als Steve Albini, der für einige der krachigsten Schallplatten der Rockgeschichte verantwortlich ist. Aber lärmig ist „Good Night and Good Luck“ nur in Ausnahmesituationen. Stattdessen aber eine gute Rockplatte, mit ein paar wirklich erinnerungswürdigen Songs, einigen nicht einsturzgefährdeten Gitarrenwänden und einer überraschend abwechslungsreich singenden Pallaske. Das will man sich zwar nicht unbedingt in einem Stadion vorstellen, aber ganz undenkbar wäre es auch nicht. Da kann noch was draus werden. Oder besser: Hätte was werden können, denn mit diesem Album verkünden Spitting Off Tall Buildings ihre Auflösung. Gründe lassen sie im Ungewissen, man habe sich halt auseinandergelebt in der Band. Es folgt „eine ausgiebige Abschiedstour“. Und Jana Pallaske ist wieder vor allem Schauspielerin.
Da, wo Spitting Off Tall Buildings durch die Prominenz Pallaskes automatisch hinbefördert wurden, nämlich zu einer gewissen Bekanntheit, da wollen The Mint und Laid erst noch hin. Man ist ehrgeizig, organisiert sich selbst und spielt Rockmusik. Allerdings, das könnte ein Stolperstein werden auf dem Weg nach oben, ziemlich austauschbare Rockmusik. So haben Laid sicher auch mal Punk gehört, aber noch viel mehr Pearl Jam und die poppigeren Metallica. Der Sänger neigt auf „Laid Night Show“ (haha) zum Vedder’schen Pathos und der Gitarrist zum hemmungslosen Losbrettern. Zumindest aber ist diese Musik ehrlich: Irgendwann beginnt ein Song mit dem Anlassen eines Motorrads, und mit kaum mehr als flott gespieltem Bikerrock hat man es hier schließlich zu tun. The Mint dagegen werfen einen noch weiteren Blick in die Vergangenheit: Benannt hat man sich nicht umsonst nach dem Hotel und Casino, in dem Hunter S. Thompson, Led Zeppelin und The Who so manche Minibar leerten. Die Songs auf ihrem Debütalbum „The Empire of the Sun“ erinnern allerdings doch eher an den Mainstream-Rock der Achtzigerjahre, als noch Foreigner ihr Minipli-bewehrtes Haupt reckten.
THOMAS WINKLER
Spitting Off …: „Good Night …“ (Exile On Mainstream/ Soulfood); Laid: „Laid Night Show“ (Mondo Press/ Alive); The Mint: Debüt „The Empire of the Sun“ (Mondo Press/Motor Digital)
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