Schon ein Flugblatt reicht für Haft

Die Landespolizeien können gefährliche Personen in Präventivhaft nehmen, in Meck-Pomm bis zu 10 Tage lang

Die maximale Gewahrsamsdauer reicht von 2 Tagen in Berlin bis zu 14 Tagen in Bayern

FREIBURG taz ■ Wenn Innenminister Schäuble gewaltbereiten Demonstranten mit Unterbindungsgewahrsam droht, geht es nicht um neue Instrumente, er weist nur auf die seit langem bestehende Rechtslage hin. „Die Polizeigesetze der Länder sehen den sogenannten Unterbindungsgewahrsam vor“, sagte er der Bild-Zeitung.

Dieser Gewahrsam dient der Gefahrenabwehr. In Mecklenburg-Vorpommern können Menschen bis zu zehn Tage inhaftiert werden, „wenn dies unerlässlich ist, um die unmittelbar bevorstehende Begehung oder Fortsetzung einer Straftat zu verhindern.“

Die entscheidende Frage ist also: Wann steht eine Straftat „unmittelbar“ bevor? Das Polizeigesetz von Meck-Pomm nennt hier mehrere mögliche Indizien: zum Beispiel wenn jemand die Begehung von Straftaten ankündigt oder entsprechende Flugblätter und Transparente mit sich führt. Auch wer Waffen und Werkzeuge, die zur Tatbegehung bestimmt sind, bei sich trägt, kann in Gewahrsam kommen. Laut Gesetz genügt es schon, sich in einer Gruppe aufzuhalten, bei der Einzelne entsprechend ausgerüstet sind und die anderen „den Umständen nach hiervon Kenntnis haben“ müssen.

Über den Gewahrsam entscheidet dann aber nicht der Bundesminister Schäuble, sondern die Landespolizei vor Ort. Sie muss allerdings „unverzüglich“ eine richterliche Entscheidung herbeiführen. Der Gewahrsam muss beendet werden, wenn die Gefahr vorbei ist, etwa weil die Demonstration zu Ende ist.

Solche Regelungen gibt es in allen Polizeigesetzen der 16 Bundesländer. Die maximale Gewahrsamsdauer reicht von 2 Tagen in Berlin bis zu 14 Tagen in Bayern. Angewandt werden solche Maßnahmen nicht nur gegen gewaltbereite Demonstranten, sondern auch gegen Fußball-Hooligans oder betrunkene Randalierer.

Problematisch ist die Regelung nur, wenn die Polizei hunderte von Personen in Gewahrsam nimmt und es zu lange dauert, bis Richter über die Zulässigkeit entschieden haben. Auch die konkreten Umstände der Unterbringung sind oft umstritten. Bei Protesten gegen Castor-Transporte wurden Blockierer schon in Käfigen, sogenannten „Gefangenen-Sammelstellen“, eingesperrt.

CHRISTIAN RATH