NACH DEM TOD IHRES MILITÄRCHEFS WERDEN DIE TALIBAN WEITERKÄMPFEN: Keine Ruhe in Afghanistan
Diesmal hat es ihn wohl wirklich erwischt, Mulla Dadullah, den gefürchteten einbeinigen Militärchef der Taliban. Wiederholt war er totgesagt worden; erst vor wenigen Wochen hieß es, er sei in der Provinz Uruzgan mit 200 Kämpfern eingekesselt.
Sein Leichnam wurde gestern Journalisten präsentiert, und die Bilder davon im Internet scheinen die letzten Zweifel – und auch das Dementi eines Talibansprechers – zu widerlegen. Dass die Taliban den Tod Dadullahs nicht wahrhaben wollen, bestätigt: Er ist ein schwerer Schlag für sie. Zu vergleichen ist Dadullahs Tod mit dem al-Sarkawis in Irak. Er war so etwas wie der Kriegsminister der Taliban – und in den letzten Monaten auch immer mehr ihr Frontmann in den Medien. Er rief die BBC an, gab ein Zeitungsinterview über Satellitentelefon und ließ sich von al-Dschasira filmen, eine Abkehr von bisheriger Taliban-Praxis, derzufolge man bis heute keine wirkliche Vorstellung vom Aussehen Mulla Omars hat.
Dies sollte auch die wachsende Zuversicht der Taliban spiegeln, in Afghanistan wieder nach der Macht greifen zu können – eine Botschaft, die in der afghanischen Bevölkerung sehr wohl ankam. Dadullah schien zumindest einen Teil der Selbstmordattentäter zu befehligen, die in diesem Jahr bereits mehr als 30-mal zuschlugen, und kopierte auch sonst irakische Terrortechniken: Er ordnete Kidnappings an, manchmal auch Enthauptungen von Entführten, und ließ Videos davon verbreiten.
Dadullahs Ende ist mit dem al-Sarkawis auch insofern zu vergleichen, als dass dieser keineswegs zu einem Ende oder auch nur einer Abschwächung der irakischen Aufstandsbewegung geführt hat. Dies wird auch in Afghanistan nicht anders sein, denn die Taliban – als harter Kern der Aufständischen – sind dezentral organisiert und werden weiterkämpfen. Immerhin: Pragmatischere Kräfte könnten etwas mehr Spielraum gewinnen, Kontakte zu ihnen etwas leichter werden, denn in seiner Radikalität wird der schwarze Mullah nur schwer zu ersetzen sein. THOMAS RUTTIG
Der Autor ist Gastwissenschaftler bei der Stiftung Wissenschaft und Politik in Berlin
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