: Die Vermessung der Menschen
Mit der Doku-Fiction „Auf Nummer sicher?“ eröffnet das ZDF seine Zukunftsreihe „Agenda 2020“ (0.10 Uhr)
„Wie werden wir leben?“, fragt die neue Filmreihe „Agenda 2020“ im Untertitel. „So hoffentlich nicht!“, schreit der erste Film. Arg thesenhaft nimmt sich die Doku-Fiction „Auf Nummer sicher?“ den Themen Datenschutz und soziale Kontrolle an. Feinschliff – vor allem in den Dialogen – ist nicht die Stärke von Henner Schulte-Holteys (Buch) und David Dietls (Regie) Film, der zusammen mit vier anderen Beiträgen 2005 die Ausschreibung des Kleinen Fernsehspiels gewann. Aus über 300 Einsendungen wählte die Redaktion fünf Projekte aus, die zwar Low Budget, aber dennoch komplett vom ZDF finanziert wurden. Sie laufen ab heute jeweils Montagnacht. Ihre Aufgabe: über unser Leben im Jahr 2020 sowohl inhaltlich als auch formal kreativ zu spekulieren. Beides gelingt „Auf Nummer sicher?“, sodass man über die Grobheit, mit der der Film seine Punkte macht, gern hinwegsieht. Schließlich hat er, was deutschen TV-Filmen meistens fehlt: eine Haltung.
Am Anfang und Ende von „Auf Nummer sicher?“ steht ein sogenannter Imagefilm. Die Journalistin Sandra Harkow (in einer ihrer seltenen TV-Rollen: Anne Ratte-Polle) erstellt ihn im Auftrag eines Herstellers der Chip-Technologie RFID. Mit dem Film sollen Politiker und Lobbyisten überzeugt werden, dass alle Ausweise in Deutschland mit einem Chip ausgestattet werden, der biometrische Daten des Inhabers speichert – und mehr. Nur das Honorar im Blick, macht sich die alleinerziehende Mutter an die Arbeit, für den Chip zu werben. Da taucht der Zeitreisende Jonas (Bernhard Schütz) auf, der sie vor den fatalen Folgen der Technik warnt: Durch Zugriff auf intimste Daten wie Krankheitsbilder oder Konsumgewohnheiten gewinnen Staat und Unternehmen in Zukunft die völlige Kontrolle über die Menschen. Schnell ist Sandra von den Risiken von RFID überzeugt. Doch die Zeit, andere zu warnen, läuft ihr davon.
Nicht so sehr in den düsteren Zukunftsszenarien, sondern vielmehr in den dokumentarischen Interviewsequenzen gewinnt „Auf Nummer sicher?“ seine Bedrohlichkeit. Datenschützer und Technikexperten geben ihre ernüchternden Analysen ab, welche Informationen über uns bereits verfügbar sind, was damit passiert und was noch kommen kann. Ein Ausschnitt aus einem Wahlkampfauftritt von Angela Merkel, in dem sie geifernd für mehr Überwachungskameras und stärkere Polizeipräsenz eintritt, macht schließlich deutlich: Die Polemik von konservativer Seite, dass Kritik an wachsender Überwachung selbst schon sicherheitsgefährdend sei, ist der erste Schritt in eine Zukunft, in der Menschen zu digitaler Kontrollmasse werden. HPI
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