Ohne Drohung geht es nicht

Nachdem Schweden ein Quotengesetz gestoppt hat, sinkt Frauenanteil in Aufsichtsräten

STOCKHOLM/BERLIN taz ■ „Es geht in die verkehrte Richtung“, musste Schwedens Gleichstellungsministerin Nyamko Sabuni gestern zugeben. Nach stetigem Zuwachs in den letzten Jahren ist der Anteil weiblicher Vorstandmitglieder börsennotierter schwedischer Aktiengesellschaften in diesem Frühjahr erstmals wieder gesunken. Der Frauenanteil in diesen Gremien ging von 21,5 auf 21 Prozent zurück.

Trotz des Rückgangs nimmt Schweden im europäischen Vergleich immer noch eine Vorbildrolle ein. Der Datenbank der EU-Kommission zufolge war der Anteil der Frauen auf höchster Entscheidungsebene bei den 50 größten börsennotierten Unternehmen des jeweiligen Landes 2006 nur in Norwegen höher. Deutschland liegt mit gerade einmal 11 Prozent im EU-Durchschnitt.

Obwohl der Rückgang in Schweden zunächst nur gering ausfällt, muss sich Ministerin Sabuni fragen, inwieweit sie selbst die Schuld daran trifft. Denn die konservative Regierungskoalition hatte ein von der sozialdemokratischen Vorgängerin initiiertes Gesetzesvorhaben gestoppt, mit dem Frauenquoten notfalls verordnet werden sollten. Ohne den Druck durch den Gesetzgeber werde „der Druck auf die Wahlkomitees geringer, gezielt Frauen aufzustellen“, glaubt Gunilla Bohmann, Gründerin des Vorstandsfrauen-Netzwerks Styrelsekvinnor. Lars Oxelheim, Professor für Wirtschaftsforschung an der Universität Lund, der persönlich gegen eine Quotenregelung ist, hat in vielen Führungsgremien eine Furcht vor „frischem Blut“ beobachtet: „Dass es nicht genügend kompetente Frauen für solche Aufträge geben sollte, ist jedenfalls kein Argument.“

Für Gleichstellungsministerin Sabuni ist der geschrumpfte Frauenanteil „Resultat des Übergangs von der Quotierungsdrohung dazu, dass die Unternehmen jetzt wieder Eigenverantwortung übernommen haben“. Doch mit der werde es mehrere Generationen dauern, bis es zu einem einigermaßen ausgewogenen Geschlechterverhältnis kommt, befürchten KritikerInnen der Regierungslinie. Ein Zurück zur Gesetzesdrohung soll es trotzdem zunächst nicht geben. Allerdings will man in Stockholm, so kündigte Sabuni an, „darüber nachdenken, wie man auch ohne Quotengesetz Druck ausüben könnte“.

Dass ein Gesetz sehr hilfreich sein kann, beweist das norwegische Beispiel. Ab 2008 müssen dort in den Führungsgremien der Aktiengesellschaften mindestens 40 Prozent Frauen vertreten sein. Sonst drohen Sanktionen bis hin zur Zwangsauflösung der Unternehmen. Zum 1. Januar 2007 hatten 38 Prozent der AGs, darunter nahezu ausnahmslos alle größeren Unternehmen, 40 Prozent Frauen in den Aufsichtsräten – doppelt so viele wie ein Jahr zuvor.

S. GUSBETH, R. WOLFF