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Auf die Dauer hilft nur Pixel-Power

„Tomb Raider“-Heldin Lara Croft hat den Frauen einen Platz in der virtuellen Spielewelt erobert. Zum 11. Geburtstag bekommt sie eine Schönheits-OP

HELDINNEN DER KONSOLE

1. Tomb Raider: Anniversary. Im Remake ihres ersten Abenteuers beweist Lara Croft Frauenpower 2. Metroid Prime Hunters. Unter diesem dicken Anzug steckt eine Frau: Kopfgeldjägerin Samus Aran erforscht das All 3. The Great Giana Sisters. Der Klassiker: Die Schwestern hüpften 1988 als Vorreiter über die Bildschirme 4. No One Lives Forever. Geheimagentin Kate Archer ist die coolste Heldin der Videospielegeschichte 5. Super Princess Peach. Das Entführungsopfer wird zum Helden. Peach rettet Klempner Mario!

VON NINA ERNST

Die berühmteste Spieleheldin aller Zeiten kehrt zurück. Im Remake ihres ersten Abenteuers erinnert uns Lara Croft an die Tage, als die meisten virtuellen Frauen noch schwach und hilflos waren.

Zwei persönliche Geständnisse vorweg: Ich liebe Videospiele. Und ich bin eine Frau. Als wäre Ersteres in Zeiten nicht enden wollender, unsachlicher Killerspieldebatten für einen Großteil der nicht spielenden Bevölkerung nicht schon schlimm genug. Aber eine Frau mit diesem Hobby hat in den meist männlichen Spielerkreisen lange Zeit ähnliche Verwirrung verursacht.

In der Welt der virtuellen Männerfantasien gab es bis vor wenigen Jahren kaum weibliche Identifikationsfiguren, die Frauen für Spiele begeistern konnten. Das hat sich inzwischen geändert. Sogar die bekannteste Spielfigur ist eine Frau: Lara Croft. Die gut aussehende Archäologin feiert nun ihr elfjähriges Dasein. Zum Dienstjubiläum schenkt ihr der Hersteller mit „Tomb Raider: Anniversary“ am 1. Juni eine Schönheits-OP. Sie kommt in ihrem ersten Abenteuer zurück. Allerdings auf dem heutigen Stand der Technik.

Als Lara erstmals auf dem Bildschirm erschienen ist, wurden Videospiele von Männern für Männer gemacht. Weibliche Heldinnen hatten darin nichts zu suchen. Höchstens als Beiwerk, um den machohaften Helden noch strahlender erscheinen zu lassen. Frauen sind zum Retten da, scheinen die Entwickler gedacht zu haben. Und schufen haufenweise Rollenklischees, von denen man dachte, sie existierten spätestens seit den 70er-Jahren nicht mehr. Wer als Frau spielen wollte, musste diese Männerfantasien schlucken.

Mittelalterlich erscheint die Geschichte von Prinzessin Peach, die sich immer wieder hat entführen lassen. Und der arme Mario musste seine Klempnerarbeiten unzählige Male liegen lassen, um sie zu retten.

Gut, natürlich hat es auch früher coole Heldinnen gegeben. Wie Samus Aran, die noch heute den Weltraum erkundet. Aber um hinter ihrem dicken Anzug eine Frau zu erkennen, brauchte man schon Fantasie.

In den meisten Games herrschte digitales Mittelalter. Resident Evil, Metal Gear Solid – fast alle großen Serien bieten Beispiele für die zu beschützende Frau. Und was machte das Dummchen zum Dank dafür, dass sie gerettet wurde? Sie rannte sofort in eine Horde Gegner. Das ist doch zum Controller-aus-der-Hand-Werfen. Manch einer hat schon versucht, aus lauter Frust seinen virtuellen Schützling zu erschießen. Auch auf die Gefahr hin, dass das nicht funktioniert oder das Abenteuer daraufhin beendet ist.

In dieser Männerwelt tauchte vor elf Jahren plötzlich eine Frau auf, die es mit ihren Kollegen aufnehmen wollte. Und auch noch gut dabei aussah: Lara Croft. Die bekannteste Spieleheldin der Welt war genau so wie junge Frauen zur Zeit der Girlie-Bewegung sein wollten: stark, sexy, kompromisslos. Sie war eine moderne Rebellin. So begeisterte die Archäologin mit ihren Kurven nicht nur Männer. Frauen eiferten ihr nach und bewarben sich scharenweise bei den Lara-Look-Alike-Contests.

Die lang ersehnte Identifikationsfigur war da und zu ihrer Premiere ein echter Hit. Frauenmagazine haben mit ihr geworben, Designer haben Mode für sie entworfen und Bands haben an ihrer Seite musiziert. So viel Erfolg macht neidisch. Langsam, aber sicher entdeckten immer mehr Entwickler, dass ein Spieleheld auch mal weiblich sein darf. Also bekam Frau Croft immer mehr Mitstreiterinnen.

Besonders bei den Adventures, die vielleicht gerade aus diesem Grund gerne von Frauen gespielt werden. Aber auch in Actionabenteuern hießen die Helden plötzlich Jade, Kate oder Jennifer. Im boomenden Genre der Rollenspiele gelten sowieso nur selten Geschlechterklischees. Hier kann meistens jeder selbst aussuchen, welches Aussehen und Geschlecht seine Figur besitzt.

Früher haben Frauen lieber Lesen, Bummeln oder Sport anstatt Videogames spielen zu ihren Hobbys gezählt. Als Zielgruppe für die Videospielindustrie waren sie nicht existent. Doch vor wenigen Jahren haben die Spielehersteller etwas entdeckt: Auch Frauen mögen virtuelle Welten. Allerdings sind sie wählerisch. Inzwischen gelten Frauen als die neue Zielgruppe schlechthin. Schließlich besteht bei den meisten aufgrund jahrelanger Unterversorgung noch hoher Bedarf an passenden Spielen.

So waren auch die Mitarbeiter der Firma Sunflowers überrascht, dass ihr Spiel „Anno 1602“ bei vielen Frauen ankam. Bei den Nachfolgern der Strategieserie haben die Entwickler dann explizit versucht, möglichst viele weibliche Käufer zu gewinnen. In einer Umfrage von 2005 waren 35 Prozent der Anno-Spieler weiblich.

Doch wie sieht ein Computerspiel aus, das Frauen mögen? „Über eine Geheimformel für das perfekte Spielprinzip für Frauen würden viele Hersteller gerne verfügen“, sagt André Bernhardt von Sunflowers. Er meint, „dass Kampfaktionen und Waffen einen erheblichen Störfaktor für Frauen darstellen“.

Während einige Spiele ganz zufällig von Frauen gemocht wurden, werden andere direkt für sie konzipiert. Was könnte die noch unerforschte Spezies wollen, fragen sich die Hersteller. Und entwerfen immer mehr Games, in denen wir uns kümmern müssen. Kümmern um die Beziehungen und den Alltag von Familien und Wohngemeinschaften. Oder um niedliche Hunde, Katzen und Pferde wie in den momentan angesagten Mädchenspielen. Natürlich mit einem sympathischen Mädchen in der Hauptrolle.

Aber auch in anderen Genres dürfen immer öfter Heldinnen Abenteuer erleben, Geheimnisse lüften und für das Gute kämpfen. Sogar Prinzessin Peach hat mittlerweile dazugelernt und in ihrem eigenen Abenteuer vor einem Jahr den ehemaligen Beschützer Mario gerettet.

Das neue Bild der modernen virtuellen Frau verdanken wir aber nicht nur der hübschen Archäologin und ihren Konkurrentinnen. Sondern auch dem technischen Fortschritt. Durch leistungsstarke Computer und Spielkonsolen verbessern sich Grafik, Physik und künstliche Intelligenz. So gelten schlechte technische Voraussetzungen bald nicht mehr als Ausrede für die Entwickler, um minderbemittelte Dummchen völlig unbedarft in die nächste Gegnerversammlung rennen zu lassen. Außerdem wetteifern Designer mit Hilfe der neuen technischen Möglichkeiten darum, ganze Welten möglichst realistisch zu simulieren. Und darin gibt es nun mal auch Frauen.

Den großen Durchbruch bei den Frauen haben allerdings nicht die weiblichen Identifikationsfiguren geschaffen, sondern völlig heldenlose Programme mit neuen Steuerungsmethoden. Wie die EyeToy-Kamera, die die Bewegungen vor dem Fernseher ins Spiel überträgt. Oder die Konsole Wii, bei der der Controller durch Bewegung gesteuert wird und je nach Spiel zum Tennisschläger oder zur Angel wird.

Auch der GameBoy-Nachfolger DS wurde mit der Hundeerziehungssimulation Nintendogs zum Begleiter vieler Frauen: Wieder geht es um das Kümmern. Aber wenn die Mädels dann irgendwann genug vom Umsorgen haben, schauen sie sich bestimmt ein anderes Genre an. Und werden sich wahrscheinlich freuen, wenn sie dann zufällig ein Spiel ohne herkömmliche Rollenklischees in die Hände bekommen.

Denn Negativbeispiele gibt es natürlich – trotz aller Fortschritte – immer noch. Aber die sterben wahrscheinlich ebenso langsam aus wie im richtigen Leben.

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