: Film ab!
Heute startet die 57. Berlinale – und damit die Hochzeit für Filmstars, Kritiker und Kinobesucher. Doch wie findet man sich in dem Trubel zurecht? Elf Tipps für ein gelungenes Festival
1. Seien Sie spontan. Das uralte Problem der Berlinale ist: Es gibt kaum Karten für die Filme, die um die Bären konkurrieren – also just für jene Streifen, für die Hollywood-Stars nach Berlin fliegen. Die Lösung: Ignorieren Sie diese Filme! Erstens sind sie erfahrungsgemäß schlechter, als der Titel „Wettbewerbs-Beitrag“ verspricht. Zweitens kommen die meisten bald in die Kinos. Drittens laufen die spannenden Geschichten in Nebenreihen wie dem „Forum“. Sollten die Karten für den Hollywood-Schmöker also wie erwartet an der Vorverkaufskasse schon um 10.30 Uhr weg sein, trauen Sie sich ruhig in das dreistündige Drama aus Taiwan oder die Doku über sibirische Kleinkinder. So schnell sieht man die nicht wieder. BIS
2. Vergessen Sie das Internet. Noch vor zwei Jahren war es der Geheimtipp: Man sitze Punkt 10 Uhr am Rechner, erklicke sich die besten Plätze für die besten Filme der nächsten drei Tage und begebe sich zum Online-Schalter in den Potsdamer Platz Arkaden. Schon konnte man den Wartenden an der Vorverkaufsschlange nebenan mit seinen Tickets zuwinken. Inzwischen ist die Interneteuphorie selbst bei Berlinale-Besuchern verflogen: Man steht sich auch am Online-Stand die Beine in den Bauch – und ärgert sich, dass die Karte 2 Euro Zuschlag kostet. GIW
3. Plaudern Sie in der Schlange. Der berüchtigste Ort der Berlinale ist die Schlange vor den Vorverkaufsstellen. Sie ist meist so lang, dass man gleich wieder abdrehen will. Dabei kann Schlangestehen Spaß machen, man muss nur kommunikativ sein. Manchmal hat der Mann vor Ihnen einen Ihrer Wunschfilme schon gesehen und gibt ein profundes Urteil ab, das die Dame dahinter dann energisch bestreitet. Dafür schenkt sie Ihnen eine Karte für einen Streifen, dessen Regisseur sie noch aus dem Vorjahr kennt, für den sie aber keine Zeit mehr hat. Nirgendwo ist das Fachwissen über die laufenden Filme so gebündelt wie hier. Manchmal findet sich dabei auch eine Begleitung – für einen Abend mit Happyend. bis
4. Finden Sie den richtigen Schauplatz. Sie kommen vor allem zum Starspotting? Aufgepasst: Nur Dilettanten stellen sich in die Menschenmasse am roten Teppich, zittern im Nieselregen, um irgendwann mal eine graue Haarspitze von Clint Eastwood zu erspähen. Profis im Promigucken wählen ihren Standort sorgfältig aus. Ein idealer Aussichtspunkt erfüllt drei Kriterien. Erstens: freie Sicht auf den ganzen Star. Zweitens: Es ist kuschelig warm. Drittens: Es gibt was zu Essen. Allein von der Liebe zu den Stars kann keiner leben. Das auf Spare Ribs spezialisierte Tony Roma’s Restaurant am Marlene-Dietrich-Platz, direkt gegenüber dem roten Teppich, erfüllt alle Voraussetzungen nahezu ideal. Wer hier einen Tisch im ersten Stock am Fenster ergattert, sieht alles. Nur die Spare Ribs sind etwas trocken. Aber um die geht es ja nicht. US
5. Ziehen Sie sich warm an. Mal ehrlich: Glaubt irgendjemand, dass Matt Damon seine kreischenden Fans noch als Individuen wahrnimmt? Jubelkulisse ist Jubelkulisse, ob in New York, Berlin oder Mönchengladbach. Trotzdem werden sich wieder AnhängerInnen im Promitaumel aufbretzeln, um einen Blick des Stars zu erhaschen. Die Folgen sind schrecklich: Der eisige Wind pfeift am roten Teppich um bloße Hälse, in offenherzige Dekolletés oder unter lässig über der Hose getragene H&M-Herrenhemden. Der Zusammenhang zwischen Berlinale-Besuch und dem Krankheitsbild Blasenentzündung ist zwar unerforscht, aber wohl dramatisch hoch. Gegen die Postfestival-Nackenstarre hilft ein lässiges Outdoor-Outfit. Es reicht, wenn Matt Damon friert. US
6. Rufen Sie enthusiastisch den falschen Vornamen. Wie heißen sie nicht alle, die Stars, die zur Berlinale kommen: Robert De Niro, Jennifer Lopez, Cate Blanchett, Antonio Banderas, usw. Unzählige Fans am roten Teppich sind die Schauspieler gewohnt. Wie bleiben Sie den Stars trotzdem in Erinnerung? Sie rufen enthusiastisch den falschen Vornamen. Wenn etwa Antonio Banderas daherspaziert, kreischen Sie: „George, George, hier, George bitte, I love you, George.“ Wetten, am Abend erzählt er seiner Frau am Telefon von Ihnen: „Baby, stell dir vor, da hat mich jemand mit Clooney verwechselt. Ist das nicht krass?“ ALL
7. Schlendern Sie zwischen Torstraße und Alex hin und her. Sie wollen die größten aller Stars nicht beim Berlinale-Auflauf, sondern in privater Atmosphäre treffen? Kein Problem. Angelina Jolie und Brad Pitt – die sich den Filmfestrummel wohl sparen – haben für sich eine 600 Quadratmeter große Wohnung hinter dem Alex gekauft. Ziehen Sie Schal und Mütze an, nehmen Sie sich etwas Zeit und schlendern Sie unauffällig von der Torstraße zum Alex. Viel Glück! ALL
8. Zeigen Sie auch nach dem Happyend Kondition. Ein cineastisches Bonbon für Berlinale-Besucher sind die Diskussionsrunden nach den Filmen mit Regisseuren, Hauptdarstellern und Produzenten. Da die Zuschauer meist zögerlich Fragen stellen, übernimmt diesen Part anfangs ein Berlinale-Moderator. Das sind oft ehemalige FilmwissenschaftsstudentInnen. Die Folge: Die Fragen sind endlos lang, zielen auf Details der Handlung und werden nicht mal von den Filmemachern verstanden. Das süße Bonbon entpuppt sich als bittere Pille. Halten Sie durch! Meist traut sich nach drei zähen Runden ein Zuschauer mit einer interessanten Frage aus der Deckung. Besser noch: Melden Sie sich gleich selbst zu Wort! BIS
9. Seien Sie dreist. Sie wollen danach auf eine Party? Eine Regel sollten Sie dann verinnerlichen: Je dreister ich bin, desto schneller bin ich drin. Die entsprechende Chuzpe haben nur wenige. Besser ist es, mit einem Nachwuchsschauspieler auf gutem Fuß zu stehen. Wie Sie das tun, bleibt Ihr süßes Geheimnis. Der bezirzte Leinwandheld überlässt Ihnen daraufhin seine Einlasskarte. Er kommt ja ohnehin rein. Aber achten Sie darauf, dass die Einlassdamen den einen oder anderen Promi auch erkennen. Ansonsten erleidet er dasselbe Schicksal wie zwei hier nicht namentlich genannte Jungschauspieler. „Robert Stadlober und Nikolai Kinski? Nie gehört.“ MLO
10. Meiden Sie Klaus Wowereit. Wer nach oben will, muss Präsenz zeigen. Der Showbiz-Nachwuchs Klaus Wowereit („Gute Zeiten, schlechte Zeiten“) hetzt daher von einer Berlinale-Party zur nächsten. Dieses Jahr hat der Soap-Opera-Darsteller richtig was zu tun. Seit vergangenem Herbst spielt er neben seinem Engagement am Roten Rathaus auch den Kultursenator. Wie können Sie dem allgegenwärtigen Wowereit aus dem Weg gehen? Meiden Sie die heutige Festival-Eröffnung im Berlinale-Palast! Halten Sie sich Samstagabend ja fern vom Empfang des Medienboards Berlin-Brandenburg! Nehmen Sie unsere Warnung ernst! 2005 traf Wowereit George Michael in einer Bar am Gendarmenmarkt. Und welchen Kurs hat Michaels Karriere seither genommen? Na sehen Sie. MLO
11. Fahren Sie raus aus Berlin. Sie haben genug von dem ganzen Filmrummel? Dann nichts wie raus in die Mark Brandenburg. Wenn Sie auch dort jeden Anblick von Filmkulissen meiden wollen, sollten Sie um folgende Orte einen Bogen machen. In Frankfurt (Oder) wurden die auf der Berlinale 2002 und 2003 ausgezeichneten Filme „Halbe Treppe“ und „Lichter“ gedreht. Im Norden finden sich mit Gersdorf in der Uckermark, der Drehort von „Jagdhunde“, der im Forum läuft. Große Teile von Christian Petzolds „Yella“ – der im Wettbewerb um die Bären kämpft – wurden in Wittenberge gedreht. Auch scheidet das ehemalige Militärgelände „Altes Lager“ in Niedergörsdorf bei Luckenwalde aus. Es ist der Drehort des Films „AlleAlle“, zu sehen in der Reihe Perspektive Deutsches Kino. So richtig entkommenen kann man dem Filmfest also nicht. TW