Arbeitslose Ausländer sollen raus

Bis zu 200.000 sogenannte geduldete Ausländer leben in Deutschland. Jetzt wollen sich die Länderinnenminister treffenund entscheiden, wer bleiben darf und wer gehen muss. Eines ist aber vorab klar: Wer keine Arbeit hat, soll gehen

VON CIGDEM AKYOL

Sarican in der Osttürkei ist ziemlich weit weg. „Das ist auch gut so“, findet Mustafa Bingöl. Weil der Kurde politisch aktiv war und Todesdrohungen erhielt, musste er mit seiner Frau und dem Sohn aus seiner Heimatstadt Sarican fliehen. Seit 1993 lebt die Familie in Norderstedt bei Hamburg und wartet auf eine Aufenthaltsgenehmigung. Die Familie hangelt sich von Duldung zu Duldung. Sie bekommen keine Aufenthaltserlaubnis, haben also keinen festen Aufenthaltstitel. „Wir können die Zukunft nicht planen“, erzählt Bingöl. „Denn wir wissen nicht, wo diese sein wird.“

Die Innenminister werden übermorgen in Nürnberg tagen, um über ein neues Bleiberecht für rund 200.000 Ausländer zu diskutieren. Auch die Bingöls hoffen, dass man an sie denkt. Momentan aber sieht es aus, als könnten die Verhandlungen schlecht für sie ausgehen. Niemand in der Familie ist erwerbstätig, keiner bekam bisher eine Arbeitserlaubnis. Eine Arbeitsgenehmigung erhält ein Geduldeter nur, wenn keine deutschen Staatsbürger oder EU-Mitglieder für den Arbeitsplatz zur Verfügung stehen. So ist es für Geduldete noch schwieriger, eine Beschäftigung zu finden.

Aber wer keine Arbeit hat, soll gehen. So steht es als Forderung in einem Eckpunktepapier der Innenminister. Demnach soll nur bleiben, wer eine dauerhafte Beschäftigung hat und seit acht Jahren in Deutschland lebt. Familien mit Kindern, die eine Schule oder einen Kindergarten besuchen, kann das Bleiberecht schon nach sechs Jahren gewährt werden. Dem Vernehmen nach könnten 20.000 bis 50.000 Ausländer damit rechnen, eine dauerhafte Aufenthaltsgenehmigung zu erhalten.

Außerdem sollen „alle einbezogenen Personen bis zum 30. September 2007 über ausreichende Deutschkenntnisse“ verfügen. „Wer bis dahin keine Arbeit hat, bekommt kein Recht auf einen Daueraufenthalt“, sagte der bayerische Innenminister Günther Beckstein (CSU).

Innenminister Wolfgang Schäuble (CDU) will jetzt einen anderen Weg gehen. Um die Sozialkassen zu entlasten, sollen langjährig Geduldete einen „grundsätzlichen Zugang“ zum Arbeitsmarkt bekommen. Auch Asylbewerbern und Bürgerkriegsflüchtlingen soll ohne die Vorrangprüfung der Eintritt in die Arbeitswelt ermöglicht werden. Ein Vorhaben, welches davon zeuge, dass die Entscheider in „einem Glashaus“ säßen, urteilt Günter Burkhardt, Geschäftsführer von Pro Asyl. „Ganze Gruppen werden gesellschaftlich herausgedrängt, weil sie kurzfristig ökonomisch nichts nutzen.“ Dennoch könnte gerade dieser Aspekt für viele ein Rettungsanker sein. Wer einen Job findet, hat bessere Aussichten, bleiben zu dürfen.

Schwieriger wird es aber für Familien geduldeter Ausländer, die straffällig geworden sind. „Wenn jemand eine schwere Straftat begangen hat, dann kann man nicht nur ihn abschieben. Das muss von der Familie zusammen erlitten werden“, verlangt Beckstein.

Die Innenminister planen auch, irakischen Flüchtlingen generell das Bleiberecht zu verwehren, weil sich die Lage dort politisch verbessert habe. Außerdem würden die 10.000 in Deutschland lebenden Flüchtlinge aus dem Irak ein vermeintliches Sicherheitsrisiko darstellen, so Beckstein. Dass das Land vor einem Bürgerkrieg steht, bleibt unbeachtet. Das UN-Flüchtlingskommissariat und Kirchen raten wegen der Sicherheitslage davon ab, Iraker grundsätzlich vom Bleiberecht auszunehmen.

Bisher ist eine Einigung bei dem strittigem Thema Bleiberecht nicht in Sicht. Sie ist aber bitter nötig. Denn etwa 200.000 Menschen leben in Deutschland ohne einen sicheren Aufenthaltsstatus. Willkommen sind sie nicht, sie werden lediglich geduldet. Mustafa Bingöl will nicht zurück in die Türkei. „Wenn wir zurückmüssen, werden wir wieder politisch verfolgt“, sagt der Kurde. „Ich habe Angst vor dem Tod.“