„Das bedeutet die Rettung der Demokratie“

Die Einigung von Mekka sollte zu neuen Friedensverhandlungen mit Israel führen, sagt der palästinensische Abgeordnete Barghuti

taz: Herr Barghuti, Sie haben selbst versucht, zwischen der Hamas und der Fatah zu vermitteln. Warum kam es nicht schon früher zu einer Einigung?

Mustafa Barghuti: Beide Seiten stellten zunächst ihre Macht auf die Probe, bevor sie verstanden, dass das vollkommen nutzlos ist. Die Einigung in Mekka ist genau dieselbe, die wir schon im letzten November ausgearbeitet hatten. Ich bin trotzdem froh, dass es endlich eine Einigung gibt. Was ich bedauere, ist, dass es vorher 98 Tote und 500 Verletzte geben musste. Diese Opfer hätten leicht vermieden werden können.

Wer ist der Sieger der Einigung?

Das palästinensische Volk. Es gibt sonst keinen Gewinner und keinen Verlierer. Wer verloren hat, sind die Kräfte, die auf die militanten Auseinandersetzungen bauten. Das Volk hat gewonnen, und dabei geht es nicht nur um nationale Einheit, sondern für mich bedeutet das Mekka-Dokument die Rettung der Demokratie. Die Einigung wird hoffentlich die Zerstörung des demokratischen Systems verhindern.

Die USA reagieren bislang sehr zurückhaltend. Hätten Abbas und Meschal nicht weitergehen können, um mit einer klaren Absage an die Gewalt die westlichen Geldgeber freundlicher zu stimmen?

Wir haben in der Vergangenheit wiederholt erklärt, dass wir zu einem kompletten Waffenstillstand bereit sind. Das ist kein Problem. Die Welt sollte anfangen, sich zu fragen, warum von Israel keine freundlicheren Signale kommen. Ich war eben in Jerusalem, in der Al-Aksa-Moschee. Was dort passiert, ist unbeschreiblich. Sie kamen mit tausenden Soldaten in die Moschee, gaben Gummigeschosse ab und Tränengas – sogar innerhalb der Moschee. Die Welt sollte lieber über die gegenseitige Anerkennung von Israel und einem Palästinenserstaat sprechen. Auch das sollte Folge des Mekka-Abkommens sein: eine internationale Friedenskonferenz mit dem Ziel der Zweistaatenlösung.

Das klingt sehr optimistisch. Es gibt andere Stimmen, die der palästinensischen Nationalen Einheitsregierung nicht allzu viel Zeit geben.

Wir brauchen nicht viel Zeit. Selbst wenn die Regierung nur sechs Monate hält, haben wir doch erreicht, die internen Kämpfe zu beenden und unseren Konflikt auf demokratische Weise beizulegen.

Es sind in den letzten Monaten fast 100 Palästinenser gestorben. Die Hinterbliebenen hoffen auf Vergeltung. Zentrale Aufgabe ist nun, für Ruhe im Gaza-Streifen zu sorgen. Wer wird damit beauftragt?

Alle Gruppen, inklusive der Hamas und der Fatah. Beide sollten die Gunst der Stunde nutzen. Wir haben jetzt nach Mekka Kämpfer beider Fraktionen gemeinsam in den Straßen feiern sehen. Was wir brauchen, ist die sofortige Reform des gesamten Sicherheitsapparats, der komplett entpolitisiert werden muss. Die Milizen müssen integriert werden, um den Bürgern zur Seite zu stehen – als Bürger und nicht als Parteiangehörige. INTERVIEW: SUSANNE KNAUL