Ja zur Großpflegestelle

Zwei Erzieherinnen, eine Wohnung, zehn Kinder: So nicht, urteilte das Jugendamt, und wollte die private Mini-Kita schließen. Krippenplätze aber sind rar – weswegen die Behörde nun einlenkt

von Armin Simon

Gudrun Erler ist keine Kita-Revolutionärin, sondern Tagesmutter. Und was sie mit ihrer Kollegin Erna Stapf in einer Mietwohnung in der Bremer Neustadt eingerichtet hat, ist in Berlin und anderen Großstädten längst gang und gäbe. In Bremen ist es verboten – noch.

„In den eigenen Räumen“ haben Bremer Tagesmütter die ihnen anvertrauten Kinder zu betreuen, schreibt die Tagesmutter-Richtlinie des Sozialressorts vor. Maximal fünf Kinder dürfen es sein, und die Tagesmütter müssen vorher einen 170 Stunden dauernden Lehrgang durchlaufen. Erler und Stapf sind sogar voll ausgebildete Erzieherinnen, und zusammen betreuen sie bis zu zehn Kinder: von morgens bis abends, wie die Eltern es wünschen, bei Bedarf auch kurzfristig und nachts. Aber: In einer nur dafür angemieteten Wohnung.

Branchen-Insider wissen: Erler und Stapf sind nicht die einzigen Tagesmütter in Bremen, die das Eigene-Wohnungs-Gebot missachten. Genauso wie es etliche gibt, die – unter der Hand – mit anderen kooperieren und zusammen auch mal mehr als fünf Kinder betreuen. Erler und Stapf aber sind die Einzigen, die offen für eine liberalere Regelung kämpfen.

Das brachte den selbständigen Erzieherinnen, die für ihren Betreuungs-Service keine staatlichen Zuschüsse bekommen, viel Streit ein. Sie arbeiteten nicht in der eigenen Wohnung, also gälten sie nicht als Tagesmütter, hielt ihnen das Jugendamt vor. Als offizielle Kindertagesstätte gehe die von ihnen angemietete Wohnung allerdings auch nicht durch – weil etwa die Toiletten nicht auf Kinderhöhe angebracht seien. Ende Januar, so die Behörden-Forderung, müssten sie ihre Einrichtung daher schließen.

Das brachte die Eltern auf die Palme. Manche arbeiteten Schichtdienst, andere hätten als FreiberuflerInnen sehr unregelmäßige Arbeitszeiten, berichtet eine Mutter. Mache die Behörde die Mini-Kita dicht, „müssten einige ihren Job an den Nagel hängen“. Die „feuerpolizeilichen Gründe“, mit denen das Ressort die Schließung begründete, hält die Mutter für vorgeschoben. „Das ist ein Politikum“, sagt sie: „Die öffentlichen Träger sehen ihre Felle davonschwimmen.“

Bedenken gegenüber so genannten „Großtagespflegestellen“ – so die offizielle Bezeichnung für das von Erler und Stapf realisierte Modell – hat indes nicht nur das Jugendamt. Es bestehe die Gefahr, das damit “Kitas auf qualitativ viel niedrigerem Niveau“ geschaffen und Dumping-Standards „Tür und Tor geöffnet“ würden, befürchten die Grünen. Der Paritätische Wohlfahrtsverband unterstrich, dass dem „berechtigten Interesse“ an flexibler Kinderbetreuung „Qualität, Kindeswohlsicherung und Betriebssicherheit“ nicht zum Opfer fallen dürften. Monika Krumbholz, Geschäftsführerin der für Tagesmütter in Bremen zuständigen Koordinationsstelle Pflegekinder in Bremen (PiB), hat mit Großtagespflegestellen dagegen „kein grundsätzliches Problem“. Im Gegenteil: 90 Betreuungsanfragen habe man in diesem Jahr schon ablehnen müssen, „gerade für unter 3-Jährige gibt es definitiv zu wenig Plätze“, weiß sie. Wichtig sei lediglich, verbindliche Mindeststandards festzulegen.

Ähnlich sieht das inzwischen auch das Sozialressort. Man werde nun doch eine Richtlinie für Großtagespflegestellen erarbeiten, teilte es vergangene Woche der Sozialdeputation mit. Die Mini-Kita in der Kornstraße soll bis dahin eine Ausnahmegenehmigung erhalten – sofern die feuerpolizeilichen Bedenken ausgeräumt werden.