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Archiv-Artikel

Kalte Krieger melden sich zurück

Auf der Münchner Sicherheitskonferenz wirft Russlands Präsident Wladimir Putin den USA „militärisches Abenteurertum“ vor. US-Verteidigungsminister Robert Gates will mit Raketen Demokratie befördern und verlangt mehr Engagement von Europäern

Kalter Krieg? Merkel und Steinmeier sprechen lieber über globale Erwärmung

VON BETTINA GAUS

„Das ist mal ’ne feine Aufgabe, wenn man dem russischen Präsidenten gegenübersitzt und dann Mutmaßungen über ihn anstellen soll“, sagte Angela Merkel und lachte leise. Nach ihrer Einschätzung des russischen Kurses im Kosovo war die Bundeskanzlerin im Anschluss an ihre Rede auf der Sicherheitskonferenz in München gefragt worden. Mit ihrer Antwort brachte sie es fertig, in einem einzigen Satz das etwas alberne Ritual öffentlicher Fragen, auf die es keine vernünftige öffentliche Antwort geben kann, als das zu entlarven, was es ist: ein etwas albernes Ritual eben.

Das war lustig – und souverän. Und es wäre eine gute Gelegenheit für augenzwinkerndes Einverständnis mit Wladimir Putin gewesen, ohne dass sich jemand dabei politisch etwas vergeben hätte. Aber der russische Präsident verzog keine Miene. Wenige Minuten später ging er zum Podium und hielt eine Rede, die allen Illusionen über freundschaftliche, gar herzliche Beziehungen zwischen seinem Land, der Nato und der Führungsmacht USA ein jähes Ende bereitete. „Militärisches Abenteurertum“ warf Putin den USA vor. Washington habe seine Grenzen in fast allen Bereichen überschritten. Die Nato warnte Putin vor „ungezügelter Militäranwendung“ und „Missachtung des Völkerrechts“. Beides fördere das Bestreben einiger Länder nach Massenvernichtungswaffen.

Schnell machte das Wort von einer Neuauflage des Kalten Krieges die Runde. Dem erteilte der US-Verteidigungsminister Robert Gates gestern – formal – eine Absage: „Ein Kalter Krieg war wirklich genug.“ Dann allerdings erinnerte er an die Stationierung von Mittelstreckenraketen in Europa und betonte, Russland müsse „rechtsstaatliche Demokratien“ an seiner Grenzen nicht fürchten.

Solche Aussagen sind natürlich immer eine Frage des Standpunktes. Falls sie darauf hindeuten sollen, dass Russland selbst keine Demokratie ist, dann dürfte das in Moskau kaum zur Beruhigung beitragen. Ebenso wenig wie die Erinnerung an die Stationierung von Mittelstreckenraketen in Europa, die seinerzeit heftig umstritten war und die nach Ansicht ihrer Befürworter zum Zusammenbruch der Sowjetunion beigetragen hat.

Unerwartet und schnell stand in München eine neue, sicherheitspolitische Frage im Mittelpunkt der Diskussion: Falls es tatsächlich zu einer Neuauflage des Konflikts der ehemaligen „Supermächte“ käme – wo läge das europäische Interesse? Die christdemokratische deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel und ihr Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) bemühten sich um eine Erweiterung des Sicherheitsbegriffs. Beide wiesen nachdrücklich auf das Problem der globalen Erwärmung hin – und darauf, dass sich die Frage der gesicherten Energieversorgung nicht im nationalen Rahmen, sondern lediglich global lösen ließe.

Auch Klimaschutz sei eine Frage der „nationalen und internationalen Sicherheit“, betonte Steinmeier. Der Außenminister verknüpfte diese Aussage mit deutlicher Kritik an den Vereinigten Staaten – und mit einer eindringlichen Mahnung, Konsequenzen aus der bedrohlichen Entwicklung zu ziehen. Europa und die USA seien die Hauptverursacher des durch Schadstoffe verursachten Klimawandels, sagte Steinmeier. Es werde nicht gelingen, aufstrebende Industrienationen von der Notwendigkeit zu überzeugen, ihre Politik zu ändern, wenn Europa und die USA nicht mit gutem Beispiel vorangingen.

Der Krieg in Afghanistan und im Irak sowie die Entwicklung der Beziehungen zur iranischen Führung in Teheran spielten auf der Sicherheitskonferenz in München eine geringere Rolle, als ursprünglich erwartet worden war. Allerdings rief US-Verteidigungsminister Gates die Verbündeten nachdrücklich zu größeren wehrpolitischen Anstrengungen und zu einer deutlichen Anhebung ihrer Verteidigungshaushalte auf.

Gates erinnerte daran, dass es vor vier Jahren – auch in München – Uneinigkeit über den Einmarsch der US-Truppen im Irak gegeben habe. „Die Realität ist heute aber, dass ein Scheitern im Irak Auswirkungen auf alle Länder haben wird, die in diesem Saal vertreten sind.“ Der Streit um den Krieg sei „Vergangenheit“. Es werde in der künftigen Diskussion nicht mehr – wie noch unter seinem Vorgänger Donald Rumsfeld – um das „alte“ und das „neue“ Europa gehen, so Gates. Stattdessen werde künftig zwischen jenen Verbündeten unterschieden, die alles in ihren Kräften Stehende versuchten, und jenen, die das nicht täten: „Die Nato ist kein sozialer Club.“