: „Man kann Feinde herbeireden“
In Venedig und Berlin wurde er aus Angst vor Attentaten verboten, vor die Hamburger Kunsthalle darf Gregor Schneider seinen der Kaaba von Mekka ähnelnden Kubus stellen. Achmed Yazici vom Bündnis der islamischen Gemeinden stört das nicht
INTERVIEW: PETRA SCHELLEN
taz: Herr Yazici, verstehen Sie die große Aufregung um Gregor Schneiders „Cube“, der ja weder in Venedig noch in Berlin gezeigt werden durfte?
Ahmet Yazici: Nein, die Aufregung habe ich nicht begriffen. Auch habe ich nicht verstanden, warum hier irgendjemand meint, dass sich irgendjemand anders gestört fühlen könnte. Die, die sich gestört fühlen, müssen sich schon selbst melden. Da müssen keine selbst ernannten Stellvertreter auf den Plan treten.
Glauben Sie denn, dass sich durch den Kubus jemand in seinen religiösen Gefühlen gestört fühlen könnte?
Bei allem in der Welt gibt es immer irgendwelche Menschen, die meinen, sie müssten gegen irgendetwas protestieren – ob das jeweils nachvollziehbar ist, ist eine andere Frage.
Fühlen Sie persönlich sich durch den Kubus gestört, der ja als religiöses Symbol gedeutet werden kann?
Es ist in der Tat so, dass der geplante Kubus ähnliche Proportionen hat wie die Kaaba, obwohl der Künstler die Kaaba gar nicht darstellen will. Schneider will ja keinen Religionsgegenstand herstellen, sondern es geht ihm um ganz andere Dinge. Daher kann ich, falls ich die Kaaba noch nie gesehen habe, als Muslim sagen: Welche Chance, die Kaaba hier in ihrer Originaldimension anzuschauen. Irgendwelche Aversionen empfinde ich dabei nicht.
Ist Schneiders „Cube Hamburg 2007“ also in Wirklichkeit eine Hilfe für die Muslime Norddeutschlands; kann er eventuell sogar die Pilgerfahrt nach Mekka ersetzen?
So einfach ist das nun auch wieder nicht! Die echte Kaaba ist einzigartig, und das ist das Wichtige daran. Und die Zweigstellen der Kaaba sind natürlich die Moscheen, nicht irgendwelche Kunstprojekte oder Objekte, die ähnlich aussehen. Aber es gibt natürlich dreidimensionale Nachbildungen der Kaaba. Und kein ernst zu nehmender islamischer Gelehrter hat je gesagt, dass man die Kaaba nicht nachbilden oder Objekte herstellen darf, die genauso aussehen.
Wer tut das zum Beispiel?
Die Anstalt für Religion in der Türkei nutzt zur Vorbereitung der Mekka-Pilger eine kleine Kaaba-Nachbildung, anhand derer die Rituale erklärt werden. Auch die Souvenirläden in Mekka bieten Kaaba-Nachbildungen an. Außerdem hängt in fast jedem Haushalt eines praktizierenden Muslims eine Abbildung der Kaaba – auf Gebetsteppichen und Wandgemälden zum Beispiel. Das alles ist nichts Besonderes. Nur die Dimension bei Gregor Schneider ist neu.
Gibt es innerhalb der Hamburger islamischen Gemeinden Dispute über den Schneider’schen Kubus? Zwischen Konservativen und Liberalen zum Beispiel?
Nein. Und abgesehen davon, dass ich solche Klassifizierungen unsinnig finde, gelten wir – das Bündnis der islamischen Gemeinden – eher als die Konservativen, was ich aber ablehne. Aber wir sind quellennah und wollen die Religion zu ihren Wurzeln führen. Und die haben ja mit Nächstenliebe zu tun, mit vernünftigem Zusammenleben, mit Hinwendung zu Gott. Ich würde uns aber als weltoffen bezeichnen.
Sie haben im Zusammenhang mit den Verboten des Kubus in Venedig und Berlin von vorauseilendem Gehorsam gesprochen. Ist die Angst vor Attentaten also in keiner Weise gerechtfertigt?
Man kann sich seine Feinde auch herbeireden. Ich habe schon die Aufregung um Idomeneo in Berlin nicht verstanden. Natürlich muss eine Gesellschaft auf Störenfriede gefasst sein. Aber man sollte sie nicht so ernst nehmen, dass man sein Leben an diesen 0,1 Prozent der Menschheit orientiert.
Trotzdem: Ist die Angst vor Anschlägen im Fall Schneider völlig unbegründet?
Meines Erachtens ja.
Das heißt, Sie würden die Hand dafür ins Feuer legen, dass im Zusammenhang mit Schneiders Kubus nichts passiert?
Die Hand lege ich für mich ins Feuer. Und für meine Gemeinde. Aber natürlich gibt es auf der Welt immer ein paar Durchgeknallte, für die man nicht garantieren kann. Aber dafür haben wir einen Rechtsstaat, der das Gewaltmonopol innehat und der sich darum zu kümmern hat, dass diese Gesellschaft funktioniert.
Ist es also doch sinnvoll, Schneiders Kubus zu bewachen?
Ich glaube nicht. Nicht mehr oder weniger als jedes andere Objekt. Aber natürlich muss man immer ein Mindestmaß an Vorsicht walten lassen, weil es immer irgendwelche Leute gibt, die sich auf Kosten der Allgemeinheit produzieren wollen. Was die tun, ist aber nicht falsch verstandener Islam, sondern das sind einfach Verbrecher.
Morgen um 19 Uhr in der Hamburger Kunsthalle diskutiert Achmed Yazici über den „Cube Hamburg 2007“. Mit ihm werden der Künstler Gregor Schneider, Kunsthallen-Direktor Hubertus Gaßner, Stern-Redakteurin Silke Müller und der Architekt Joachim Reinig auf dem Podium sitzen.