Der Imam spricht Deutsch

Die Türkische Gemeinde in Hamburg bietet einen Deutschkurs für Imame und Imaminnen an. In 600 Stunden sollen sie nach Möglichkeit auch die deutsche Gesellschaft kennenlernen. Das Fernziel ist ehrgeizig: Mehr Imame in Deutschland auszubilden

VON FRIEDERIKE GRÄFF

Die Kursteilnehmer wirkten ein bisschen überrascht, als die Pressemenschen in den Raum strömten und ihnen Mikrofone vor die Nase hielten. Aber sie antworteten, so gut sie konnten. Den meisten musste ein Dolmetscher helfen, schließlich war es erst der zweite Unterrichtstag, den sie gestern absolvierten.

600 Stunden Deutschunterricht sollen elf Imame und eine Imamin absolvieren, um „die Kommunikation zwischen Moscheen und Kirche zu verbessern und damit zum Abbau von Vorurteilen gegenüber dem Islam beizutragen“, so formulierte es der Vorstand der Türkischen Gemeinde in Hamburg. Der Kurs ist der erste seiner Art in Hamburg und soll zugleich den Imamen selbst die Möglichkeit geben, „an der Gesellschaft zu partizipieren“, sagte Hüseyin Yilmaz, der zweite Vorsitzende der Gemeinde. „Sie müssen sich in der Gesellschaft bewegen können und nicht abgeschottet leben.“

Die Türkische Gemeinde, die eine nicht-religiöse Dachorganisation mehrerer sozialer und kultureller Vereine ist, macht damit all jenen Imamen ein Angebot, die über die Türkisch-Islamische Union der Anstalt für Religion (Ditib), sprich vom türkischen Staat, finanziert und nach Deutschland geschickt werden. Diese bleiben in der Regel für vier Jahre in ihrer Gemeinde und kehren dann zurück in die Türkei. Dort absolvieren sie zuvor auch ihre theologische Ausbildung und einen Basiskurs der deutschen Sprache.

In Hamburg unterrichtet sie Jens Döring gemeinsam mit einem Kollegen, beide sind Lehrer für Deutsch als Fremdsprache an der Hamburger Volkshochschule. „Im Grunde ist es das gleiche Konzept wie beim Integrationskurs“, sagt Döring. Dessen Stundenzahl hatten jüngst mehrere Integrationsbeauftragte als zu gering kritisiert. Angesichts der akademischen Vorausbildung aller Teilnehmer ist Döring jedoch optimistisch, das Kursziel, nämlich das Zertifikat Deutsch gemäß den Europäischen Rahmenrichtlinien zu erreichen. Im Unterschied zu den Integrationskursen gehört jedoch der so genannte Orientierungskurs, der sich mit Politik und Gesellschaft beschäftigt, nicht zum Kursprogramm. Dennoch glaubt Döring, dass Landeskunde Thema sein werde, sobald die Sprachkenntnisse dazu ausreichten.

Finanziert wird das 12.000 Euro teure Projekt mit Mitteln aus dem Europäischen Sozialfonds. Wie es nach deren Auslaufen Ende des Jahres weitergehen soll, ist noch unklar. Der Geschäftsführer der Türkischen Gemeinde, Harald Winkels, deutet an, dies sei „eine Frage der Verhandlungen mit der Sozialbehörde“. Deren Sprecher begrüßte den Kurs als „guten Ansatz, mit dem man an Leute herankommt, die wir sonst nicht erreichen“.Für die Entscheidung über mögliche Zuschüsse müsse man jedoch erst die Erfahrungen des ersten Kurses abwarten.

Ziel des Kurses, so der allgemeine Tenor in der Türkischen Gemeinde, sei nicht, dass künftig auf Deutsch gepredigt werde. Denkbar sei eine solche Predigt aber an einem Tag der Offenen Tür in der Moschee. Wichtiger noch war Harald Winkels das „Fernziel“ einer Imam-Ausbildung in Deutschland. Statt wie bisher nur vereinzelt, müsse dies künftig an vielen Universitäten möglich sein.

Kaya Düzenli, der im Unterrichtsraum ganz vorne rechts sitzt, ist seit einem halben Jahr in Deutschland als Imam der Hamburger Hauptmoschee. „Ja, ich habe schon in Türkei Deutsch gelernt“, sagt er. „Mit der Grammatik.“ Den Rest übersetzt ein Dolmetscher. Dass Düzenli sich schon in der Türkei bewusst war, dass er in Hamburg mehr Deutsch werde lernen müssen. Dass die Kinder mit seiner Frau in der Türkei geblieben seien, weil es sich für vier Jahre nicht lohne, sie von der Schule zu nehmen. Dass die Deutschtürken der dritten und vierten Generation nur sehr „sperrig“ Türkisch sprächen. Und dass er hoffe, das nächste Gespräch auf Deutsch führen zu können.