: Der Revolutionsposterboy
Dean Reed war „Der Rote Elvis“. In seinem Dokumentarfilm (Panorama) erzählt Leopold Grün von dem Schauspieler und Sänger, der für die DDR den guten Ami spielte
Ein richtig guter Schauspieler war er eigentlich nicht. Ein richtig guter Sänger auch nicht. Auch das, was ihm zeit seines Lebens wahrscheinlich am wichtigsten war, ein guter Revolutionär zu sein nämlich, muss man ihm im Nachhinein etwas absprechen. Aber er sah super aus, und er hatte ein interessantes Leben. Ein guter Grund also für Regisseur Leopold Grün, dem Schauspieler, Sänger, Revolutionär und schönen Mann Dean Reed einen Dokumentarfilm zu widmen: „Der Rote Elvis“.
Tatsächlich war er das natürlich nicht, ein roter Elvis. Den gab es nicht, konnte es nicht geben, weil ein nicht zu unterschätzender Teil der Attraktivität von Elvis Presley ja gerade auf der Macht jenes Kulturimperialismus beruhte, den der Ostblock von seiner Jugend fernzuhalten versuchte. Insofern war die Karriere, die Dean Reed aus Hollywood in die DDR führen sollte, auch das Ergebnis eines Mangels – was ihr ein gehöriges Maß an Tragik verleiht. So hielt Reed die DDR für die Heimat der Weltrevolution, die DDR ihn für einen Weltstar. Beides war natürlich Unfug.
Geboren wurde Reed 1938 in Denver, Colorado. Anfang der Sechziger nimmt ihn Warner unter Vertrag, er spielt Nebenrollen in einigen Filmen und fängt parallel dazu an, nach Südamerika zu reisen, vor allem nach Chile. Er engagiert sich gegen den Vietnamkrieg, reist Mitte der Sechziger auch in die Sowjetunion (ganz toll: eine russische Reed-Jüngerin im Film glaubt religiös an ihn). Die Aufträge in den USA werden weniger, Reed siedelt nach Europa über, erst nach Italien, wo er in einigen Western mitspielt, und schließlich in die DDR. Das ist 1973. Hier bleibt er, weil es Jobs gibt und Frauen.
Denn darauf läuft es hinaus: Die DDR hält sich Reed, weil sie mit ihm ihren Vorzeige-Amerikaner hat (auch schön: wie Egon Krenz, damals FDJ-Chef, erklärt, wie man ihm ab und an zu verstehen gegeben habe, was man von ihm erwartete). Und Reed verbindet in Ostberlin das Angenehme mit dem Angenehmen. Politisch steht er auf der richtigen Seite, und Privilegien wie eine Affären-Zweitwohnung bekommt er außerdem. Beim „Kessel Buntes“ ist er Stargast, auf Demonstrationen ruft zur internationalen Solidarität auf. Im Nachhinein bleibt einem nichts anderes übrig, als solche Auftritte komisch zu finden.
Das ganze Revoluzzertum kommt einem heute natürlich auch wie ein großes Kasperletheater vor – auch weil Reed für das DDR-Publikum immer wieder die ganz große Weltgeschichtsbühne sucht. Nicht dass er sein Engagement nicht ernst meinte. Aber wenn man ihn mit Maschinenpistole und Dreitagebart (in einem Filmschnipsel, der aussieht wie ein TV-Nachrichteneinspieler) durch irgendwelche libanesischen Trümmerwüsten schleichen sieht, hat man doch immer im Hinterkopf, dass sich für diese Aufnahmen auch ein Kamerastandpunkt finden lassen musste. Und den eleganten Einstellungen nach zu urteilen, ist man dabei nie auch nur in der Nähe der Front.
Viele dieser Geschichten lässt der Filmemacher Leopold Grün erzählen, manches muss man sich auch aus dem Internet zusammensuchen – „Der Rote Elvis“ folgt dem streng durchgehaltenen Konzept, keine Informationen aus dem Off zu geben. Alles, was man erfährt, wird einem von Zeitzeugen berichtet – neben Krenz und Armin Müller-Stahl hat auch Isabel Allende ihren Auftritt. So lässt Grün auch offen, warum Reed 1986 Selbstmord begeht – dass er sich umgebracht hat, ist unstrittig. Spekulationen über Mord, weil er zurück in die USA gewollt habe (wo ihn niemand mehr kannte oder wollte), lassen sich nicht belegen. TOBIAS RAPP
„Der Rote Elvis“. Regie: Leopold Grün. D 2007, 97 Min.; heute, 17 Uhr, International; 15. 2., 15.30 Uhr, Colosseum