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Archiv-Artikel

„Es muss ein schöner Schuppen sein“

Peter Raue, kunstsinniger Rechtsanwalt, plädiert für den Bau einer neuen provisorischen Kunsthalle als Ort der jungen Künste und Künstler. Bezahlen soll das Projekt unter dem Namen „White Cube“ die Stadt, betreiben müssen es Private

taz: Herr Raue, warum engagieren Sie sich für das Projekt White Cube?

Peter Raue: Wir brauchen in Berlin eine neue Kunsthalle – gleichgültig wie und wo.

Haben wir nicht genug Ausstellungsorte?

Aber nein. Schauen Sie sich doch um, was wir haben: Der Hamburger Bahnhof ist zu 90 Prozent von den beiden Sammlern Flick und Marx besetzt. Für die Berliner Kunstszene, die mindestens so aufregend ist wie die in New York, reichen die verbleibenden Ausstellungsflächen nicht aus. Dann haben wir die „Kunstwerke“ – ein toller Ort, der jedoch nicht genügt, um den Dialog unter den Künstlern breit und öffentlich zu präsentieren. Berlin besitzt schließlich eine grandiose Galerieszene, die aber kein Ersatz für eine Kunsthalle ist, sondern ihre Notwendigkeit begründet, hat doch jeder Galerist nur seine Künstler. Was mir in dieser Stadt fehlt, ist ein Platz, wo der Austausch der modernen Künstler aus aller Herren Länder stattfindet und man nicht erst zu Neo Rauch nach Wolfsburg oder Thomas Demand nach New York fahren muss.

Sie haben die Neue Nationalgalerie vergessen.

Nein. Das Entscheidende ist, dass nicht alles, was neu ist, „nationalgaleriewürdig“ ist. Das ist eine andere Höhe. Und für die bunte, avantgardistische, experimentierfreudige Szene fehlt eine Ausstellungshalle. White Cube kann auch der Ort für kurze oder kurzfristige Präsentationen sein – etwa große Videoinstallationen für nur einige Tage.

Warum konzentriert sich die Planung auf den Schlossplatz, der ja für das Humboldt-Forum reserviert ist?

Der Standort ist zweitrangig. Mich fasziniert das Provisorische an der Idee. Wenn die Kunsthalle drei Jahre steht, wissen wir, ob wir so etwas unbedingt brauchen oder sich die Sache erledigt hat.

Nehmen wir an, White Cube würde ein Erfolg: Dann haben wir entweder einen Konflikt um die Nutzung des Ortes oder die Klage über den Abriss. Wenn wir die Kunsthalle brauchen, wie Sie sagen, warum auf einem so unsicheren Terrain?

Die Idee der Ausstellungshalle wäre in diesem Fall nach drei Jahren nicht erledigt. Es gibt aber unendlich viele Räume in Berlin, in die man dann gehen könnte: vom Lapidarium bis in die hinteren Rieckhallen. Aber für den Zeitraum der Zwischennutzung ist der Schlossplatz die beste Lösung. Der Platz ist mehr als ein Aufenthaltsort für Buden oder Riesenräder. Er ist bis zum Beginn der Bauarbeiten am Schloss ein Ort des Ausprobierens junger Kunst. Zugleich sehe ich den Konflikt mit den Schlossplänen gar nicht. White Cube muss ein schöner Schuppen sein, für möglichst wenig Geld, der nach drei Jahren ausgedient hat und den man wieder wegnehmen oder transportieren kann, wie den berühmten Thespiskarren. Denken Sie an Wien, dort wurde die neue Kunsthalle aus Containern errichtet.

Was kostet das Projekt White Cube und wer finanziert es?

Den Bau dort muss die Stadt finanzieren, 750.000 Euro wären von Berlin aufzubringen – wenn es das wirklich will. Und der Regierende Bürgermeister hat ja gesagt, dass er das möchte. Die Kosten für den Betrieb der Kunsthalle müssen dagegen noch geklärt werden. Dafür sollte ein Sponsor gefunden werden – vergleichbar der Deutschen Bank, die die Deutsche Guggenheim unterstützt –, der sagt: „Ich gebe den Betrag X für drei Jahre.“

Derzeit ist doch von drei Millionen Euro für den Bau die Rede und außerdem nicht von öffentlichen Geldern?

Diese Summe halte ich für abartig. Die Kunsthalle, wie ich sie mir vorstelle, kommt mit viel weniger aus. Wir brauchen kein Fundament, keine komplizierte Entlüftung und keine wahnsinnigen Sicherheitssysteme. Denn da hängt kein Munch oder van Gogh drin. Die Kunst dort ist strapazierfähig. Der Bau muss etwas Vorläufiges, Vorübergehendes, Transitorisches haben.

INTERVIEW: ROLF LAUTENSCHLÄGER