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Archiv-Artikel

An der Kontrolle scheiden sich die Geister

Die Mehrheit der Staaten will über eine Kontrolle ihres CO2-Ausstoßes nicht verhandeln. Da gehen gute Vorschläge wie die globale CO2-Steuer unter

Nairobi taz ■ Die Rede war für einen Diplomaten erstaunlich deutlich: „Der Klimawandel ist keine Science-Fiktion, sondern die reale Zukunft. Der wissenschaftliche Sachstand ist eindeutig, es gibt einen Punkt dieser allumfassenden Bedrohung, an dem es kein Zurück mehr gibt – und wir bewegen uns heftig auf diesen Punkt zu.“ So sprach UN-Generalsekretär Kofi Annan gestern zu den 189 Regierungsdelegationen. Und das Ziel der Konferenz benannte er ebenso deutlich: „Von diesem Gipfel muss die klare Botschaft ausgehen: Die Führer der Welt nehmen den Klimawandel ernst.“

Doch ob dieses Ziel erreicht werden kann, ist schon zu Beginn des Treffens der Regierungsdelegationen mehr als fraglich, ja, es zeichnet sich sogar ein klägliches Versagen der Weltklimagemeinde ab: Zu umkämpft sind die Positionen. Neben technischen Fragen wie dem Clean Development Mechanism oder dem Anpassungsfonds (siehe Kasten) scheiden sich die Geister vor allem am Überprüfungsprozess: „Zum gegenwärtigen Zeitpunkt sind die Staaten der G 77 und China nicht bereit, über eine Limitierung ihres CO2-Ausstoßes auch nur zu verhandeln“, sagte Bundesumweltminister Sigmar Gabriel (SPD). Geschweige denn über eine Reduktion: So habe er, Gabriel, aus der chinesischen Delegation gehört, China könne bis 2080 weiter ungehemmt Kohlendioxid ausstoßen, weil erst dann die Volksrepublik so viel Kohlendioxid pro Kopf ausstoße wie Europa. Natürlich ein abenteuerlicher Gedanke, sagt der Minister, „aber es gibt G-77-Staaten, die immer noch glauben, die CO2-Reduktionen hätten nur ein Ziel: ihre wirtschaftliche Entwicklung zu bremsen“. Für ihn sei deshalb die „entscheidende Frage: Was muss man eigentlich machen, um eine Parallelität zwischen der Debatte um eigene, neue Reduktionsziele und erste Reduktionsanstrengungen der G 77 hinzubekommen“.

Letztere aber gelten als Voraussetzung für das so genannte Verhandlungsmandat: In Nairobi wird verhandelt, ob und was im 2007 für mehr Klimaschutz nach 2012 verhandelt werden soll. Die Experten sind sich einig: Falls es ein Verhandlungsmandat für 2007 gibt, wird vielleicht frühestens nach zweijährigem Verhandeln ein Kompromiss gefunden – der dann natürlich wieder verhandelt werden muss.

Angesichts solcher Horrorszenarien warnt der Bündnisgrüne Reinhard Loske – neben anderen Parlamentariern Mitglied der deutschen Regierungsdelegation – vor zu mageren Ergebnissen des Nairobigipfels. „Die Wissenschaft liefert immer alarmierendere Fakten. Wenn sich der Klimagipfel aber immer weiter im selben, gleichförmigen Karawanentrott bewegt, kommt irgendwann der Punkt, wo das Kiotoprotokoll keine Akzeptanz mehr bei den Menschen hat“, so Loske gestern. „Ich kann die Ungeduld ja verstehen“, sagte Gabriel, verwies dann aber auf die Reformdebatten im eigenen Land: Dort seien es nur sechs Parteien und die Lobbys. „Hier aber sind es 189 Parteien“, so der Minister, man müsse Geduld haben.

Immerhin hat es unterhalb der großen Klimadiplomatie auf kleinerer Ebene Erfolge gegeben. So sagte Kanada zu, ein eigenes Emissionshandelssystem aufbauen zu wollen. Die EU machte einen 80 Millionen Euro teuren Vorstoß: Ziel sind Kleinkredite für erneuerbare Energien – etwa in Afrika. Die 80 Millionen sollen als Bürgschaft das Risiko der kreditgebenden Banken abdecken – was ein Investitionsvolumen von einer Milliarde Euro ausmachen soll. Der Schweizer Bundespräsident Moritz Leuenberger brachte endlich eine weltweite CO2-Steuer ins Gipfelspiel: „Sie wäre gerecht, würde bei Ursachen und Folgen der Klimaerwärmung ansetzen sowie ökonomische und ökologische Interessen vereinen.“

Und dann war da auch noch die Rede von Gabriel vor dem Plenum: Sollte die EU sich verpflichten, bis 2020 ihren Klimagasausstoß gegenüber 1990 um 30 Prozent zu senken, werde sich Deutschland zur 40-prozentigen Reduktion verpflichten.

Wenigstens kleine Hoffnungsschimmer. Die allerdings lenken vom großen Ganzen ab. Es war wiederum Kofi Annan, der dieses auf den Punkt brachte: „Das Kiotoprotokoll, das den Industrieländern erstmals verbindlich die Reduzierung von Treibhausgasemissionen vorschreibt, ist bei Weitem nicht ausreichend, um der Bedrohung durch den Klimawandel zu begegnen.“ Indirekt kritisierte Annan die USA: „Niemand darf sagen, dass wir es uns nicht leisten können, zu handeln.“ NICK REIMER