Wo bleibt die Wirtschaft bei all dem Biogedusel?

Die Union modernisiert ihr Umweltprogramm. Staatssekretär Paziorek will 50 Prozent saubere Energien bis 2050 – und stößt auf Widerspruch

BERLIN taz ■ Aus der Blickrichtung vieler Grüner ist die Union nach wie vor die Partei des Drecks. Dicke Autos, viel Atomkraft, wenig Klimaschutz, viel Gentechnologie – so sieht in dieser Perspektive die christliche Umweltpolitik aus. Doch diese Sichtweise ist renovierungsbedürftig.

Dass vor allem die bayerische CSU aufgeholt hat, stellt Agrarstaatssekretär Peter Paziorek (CDU) immer wieder fest. Die schärfsten Gegner der grünen Gentechnologie neben Greenpeace sitzen auf bayerischen Bauernhöfen. Denn die Landwirte mit ihren kleinen Betrieben leben auf Tuchfühlung zum Nachbarn. Sie haben keine Lust, sich ihr Getreide durch umherfliegende Gentech-Pollen vom anderen Feld versauen zu lassen. Paziorek und Agrarminister Horst Seehofer (CSU) setzen deshalb auf Abstand: 150 Meter sollen zwischen konventionellen und Gentech-Äckern liegen – manipulierter Anbau wäre damit in weiten Teilen Bayerns faktisch verboten.

Ehe, Familie, Kindererziehung, Glauben, in gewissem Sinne auch soziale Hierarchie, sind kulturelle Themen. An diesen scheiden sich zurzeit die ländlich-konservative und die urban-moderne Klientel der Union. In der Umweltpolitik liegt die Sache anders. Da sind rechte und linke Ökologen nah beieinander. Die aktuelle Umweltdebatte der Union ist deshalb Ausdruck einer fälligen Modernisierung. „In der Umweltpolitik muss die Union jetzt springen“, sagt Paziorek, der das Umweltkapitel für das neue CDU-Parteiprogramm formuliert hat. Es trägt den Titel: „Die Schöpfung bewahren – eine lebenswerte Zukunft sichern“. Am 26. Februar will es die Grundsatzkommission der Partei eingehend diskutieren.

Dass Paziorek, Hamburgs Bürgermeister Ole von Beust, Katherina Reiche und andere Christdemokraten das Öko-Programm ihrer Partei auf den Stand der Dinge bringen, soll ihnen einerseits mehr Einfluss in der Partei verschaffen. Andererseits aber reagieren sie auch auf einen gesellschaftlichen Stimmungswandel: In diesem milden Winter reden alle vom Wetter. Da muss auch die Union etwas zu sagen haben. Sonst verliert sie den Anschluss.

Also ließen sich Paziorek und seine Mitstreiter einige einprägsame Formulierungen einfallen. Die beste: „Ziel ist, dass die erneuerbaren Energien bis zum Jahr 2050 den Hauptteil an der Energiebereitstellung tragen.“ Wie bitte?, fragt sich da mancher Grüne. Die Hälfte des Verbrauchs aus Ökoenergie, steht das auch bei uns geschrieben? Nein, tut es nicht. Nicht explizit jedenfalls, dem Sinn nach allerdings schon.

Und so geht es weiter: Atomkraft diene nur noch als „Brückenenergie“ hin zu einer sauberen Zukunft, schreibt Paziorek. Uran sei begrenzt, sagt Bundeskanzlerin Angela Merkel. „Bayern muss Wasserstoffland Nummer eins werden“, propagiert in München CSU-Generalsekretär Markus Söder.

Aber eine derart ambitionierte Zielsetzung ruft auch Widerspruch hervor. Noch haben Paziorek & Co. die Mehrheit beim CDU-Parteitag im Dezember nicht erobert. Aus dem Umfeld von Marie-Luise Dött, Fachfrau für Mittelstand und Umwelt im Bundestag, heißt es, „dass man hinter das 50-Prozent-Ziel durchaus ein Fragezeichen setzen“ müsse. Nicht der, der die Latte auf 2,90 Meter lege, werde Hochsprung-Weltmeister. Sondern der, der die 2,45 Meter dann auch wirklich überspringe.

Um die Probleme mit der Umwelteuphorie zu verstehen, hilft ein Blick auf das Drei-Säulen-Modell der Nachhaltigkeit, das bei der CDU gerne zitiert wird: Einklang von Ökologie, Ökonomie und Sozialem. Wo denn die Wirtschaft bleibe bei all dem Biogedusel, fragen sich Politiker vom Schlage des Hessischen Ministerpräsidenten Roland Koch.

Aber da liegt auch des Rätsels Lösung für den relativen Vorsprung der CSU im Vergleich zur Schwesterpartei: Im kleinräumig geprägten Bayern ist Biopolitik oftmals ein stärkerer Wirtschaftsfaktor als im großflächigen Norden. „Energie aus Biomasse“ hat im Süden einen ganz anderen Klang als auf den riesigen Feldern Niedersachsens und Brandenburgs. In Bayern lässt Österreich grüßen. Im Nachbarland leben schon ganze Gemeinden davon, dass sie ihren Bergwald als Holzpelletts im Kraftwerk verfeuern. HANNES KOCH