: Das Restrisiko
KERNSCHMELZE Das Desaster im Atomkraftwerk von Fukushima zeigt, dass die Risiken der Atomtechnik unbeherrschbar sind. Japaner versuchen verzweifelt, ein massives unkontrolliertes Austreten radioaktiver Partikel zu verhindern
TOKIO/BERLIN taz | Nach dem schweren Erdbeben in Japan droht dem Land eine radioaktive Verseuchung. In drei Reaktoren fiel das Kühlsystem aus. Dabei gerieten im Atomkraftwerk von Fukushima I zwei Blöcke außer Kontrolle. Beim Reaktor Nummer eins hielt am Samstag die äußere Schutzhülle dem Druck nicht mehr stand und explodierte. Der innere Kern war zwar noch von einer Ummantelung umgeben, Experten gingen jedoch davon aus, dass dort eine unkontrollierte Kernschmelze mit hohen Temperaturen im Gange ist. Techniker waren offenbar dazu gezwungen, den radioaktiv kontaminierten Dampf aus dem Inneren in die Umgebung abzulassen, um einer völligen Zerstörung vorzubeugen.
Am Sonntag geriet auch der Reaktor Nummer drei von Fukushima I mangels Kühlung außer Kontrolle. Die Regierung dementierte, dass es dort zu einer Kernschmelze gekommen ist. Zudem fiel das Kühlsystem im Reaktor Topai 2 aus. Dieses Atomkraftwerk liegt nur 120 Kilometer südlich von Tokio. Nach Angaben des Betreibers arbeitete noch ein drittes Notkühlsystem.
An den beiden Reaktorblöcken in Fukushima I versuchten Arbeiter, die Anlagen mit Meerwasser zu kühlen. Nach unbestätigten Berichten gab es bei sechs der zehn Reaktoren in den zwei Atomkraftwerken Fukushima I und Fukushima II Probleme mit den Kühlsystemen. Beide AKWs liegen zwölf Kilometer voneinander entfernt. Erhöhte Radioaktivität wurde am Atomkraftwerk Onagawa gemessen.
Ein 20 Kilometer breites Gebiet rund um das Werk Fukushima I wurde geräumt, über 200.000 Menschen mussten ihre Wohnungen verlassen. In der 150 Kilometer entfernten Provinz Miyagi wurde eine auf das 400fache erhöhte Radioaktivität gemessen. Es bestünde keine unmittelbare Gefahr für die Menschen, beruhigten die Behörden.
Das Erdbeben und der sich anschließende Tsunami haben schwerste Verwüstungen angerichtet. Medien gehen von mehr als 10.000 Todesopfern aus. Allein gestern wurden an den Küsten mehr als 600 Leichen gefunden. In einer Kleinstadt galten mehr als 9.000 Menschen als vermisst. 310.000 Menschen mussten den Tag in Notunterkünften verbringen, Millionen waren ohne Strom und Trinkwasser. Ministerpräsident Naota Kan sprach von der größten Krise, die Japan seit dem Zweiten Weltkrieg erlebe. KLH