: Ein Schiff wird kommen
Für den Transfer von giftigem Hexachlorbenzol nach NRW hat der australische Müllexporteur Orica bereits ein Schiff gechartert. SPD-Bundesumweltminister Sigmar Gabriel lobt Transporte
VON KLAUS JANSENUND ANDREAS WYPUTTA
Der australische Giftmüllexporteur Orica glaubt auch ohne erteilte Genehmigung der Behörden fest an die Verschiffung von 22.000 Tonnen hochgiftigen Hexachlorbenzols nach Deutschland. Nach Informationen australischer Umweltschützer hat das Unternehmen für den 1. April bereits ein Schiff für den Transport nach Brunsbüttel gechartert. Von dort aus soll die Chemikalie in die nordrhein-westfälischen Müllverbrennungsanlagen Herten, Dormagen und Leverkusen transportiert werden (taz berichtete).
Der deutsche Importeur, die Hertener Abfallentsorgungsgesellschaft AGR, bestätigte die Pläne im Grundsatz. „Ein Schiff ruft man nicht heran wie ein Taxi“, sagte AGR-Sprecher Heinz Struszczynski. Wahrscheinlich handele es sich bei dem Chartergeschäft aber nur um eine Option: „Das ist so üblich“, so Struszczynski. Auch der Bezirksregierung Münster liegen noch keine Informationen über den genauen Termin vor. Eine Sprecherin der Genehmigungsbehörde verwies auf ausstehende Stellungnahmen der australischen und deutschen Behörden. Wenn diese vorliege, stehe eine erneute Prüfung des Geschäfts an.
Am politischen Willen, das Geschäft durchzuziehen, scheint es auf beiden Seiten der Erde jedoch nicht zu mangeln. Es sei zu „99 Prozent“ sicher, dass ihre Regierung dem Transport zustimme, sagte die australische Toxikologin Mariann Lloyd-Smith. Eine Kommission des Umweltministers weise Einwände als „nicht seriös oder wirksam“ zurück.
Auf deutscher Seite hat auch Bundesumweltminister Sigmar Gabriel seine Zustimmung zum Giftmüllimport signalisiert. „Deutschland übernimmt mit seinen sehr guten Anlagen zur Sondermüllverbrennung ein Stück umweltpolitische Verantwortung“, sagte der sozialdemokratische Politiker dem Spiegel. Es sei besser, das Gift in Deutschland zu verbrennen, als es irgendwo auf der Welt unsachgemäß zu lagern.
In NRW stießen Gabriels Aussagen auf Unverständnis. „Wir freuen uns nicht über fremden Giftmüll“, sagte Landesumweltminister Eckhard Uhlenberg (CDU) zur taz. Allerdings könne das Land die Transporte nicht unterbinden. BUND-Sprecher Dirk Jansen kritisierte, dass „Gabriel andere Staaten zum Nichtstun“ einlade. Wer sich so äußere, verhindere den Aufbau sicherer Anlagen in den Müll-Erzeugerländern. Joachim Jürgens vom Bürgerinitiativen-Zusammenschluss Pro Herten sprach gar von einer „Müll-Mafia, die bis in höchste Kreise“ reiche.
Die Gegner des Transports fordern, dass NRW seine Anlagentechnik exportieren solle, statt Müll aus aller Welt zu importieren. Branchenkenner halten dies im Fall Australien jedoch nicht für praktikabel: „Von dem Orica-Müll abgesehen, gibt es dort nicht viel zu verbrennen“, sagt ein hochrangiger Mitarbeiter eines NRW-Entsorgungsunternehmens. „Ein Export würde sich einfach nicht rechnen.“
Unterdessen gab es am Wochenende Feueralarm in der Müllverbrennungsanlage Herten – die Ursache war unbekannt. Laut Pro Herten-Sprecher Jürgens musste die Anlage teilweise den Betrieb einstellen.