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Archiv-Artikel

Kandidaten dringend gesucht

Die WASG verspricht auf einer Landesversammlung ihren Mitgliedern Vollbeschäftigung: Sie müssen 2007 die Fusion mit der PDS schaffen und ihren ersten Bürgerschaftswahlkampf in Angriff nehmen

Von Marco Carini

Die Versammlung war mäßig besucht, und mäßig war auch die Euphorie der Anwesenden. Ein Jahr vor der Bürgerschaftswahl befasste sich Hamburgs Landesverband der Wahlalternative Arbeit und Soziale Gerechtigkeit (WASG) am Samstag auf einer Mitgliederversammlung gleich mit drei Themen: Zum einen mit dem bevorstehenden Wahlkampf, zum Zweiten – und nur am Rande – mit der für kommenden Juli geplanten Fusion mit der Linkspartei.PDS und zum Dritten vor allem mit sich selbst.

Besonders die Bürgerschaftswahl warf bei der Zusammenkunft im Wirtschaftsgymnasium St. Pauli ihre Schatten voraus. Gastredner Frank Teichmüller, Sozialdemokrat und ehemaliger Chef der IG-Metall-Küste, kritisierte das Kandidaten-Chaos seiner Partei („Die SPD bringt sich gerade um“) und die „Demokratur“ der CDU, die Hamburg im Alleingang ein für ihre Zwecke maßgeschneidertes Wahlrecht verpasst habe.

Für den eigenen Wahlkampf drohte WASG-Chefdenker Joachim Bischoff den rund 80 Anwesenden an: „Wir müssen aufgrund des veränderten Wahlrechts eigentlich 600 Kandidaten für die Bezirks- und Bürgerschaftswahl aufstellen.“ Mindestens 100 aber müssten bereit sein, sich auf den Wahllisten zur Verfügung zu stellen und vorher in Schulungsseminaren für den Wahlkampf fit machen zu lassen. Für PDS und Wahlalternative, die in Hamburg zusammen bei gut 800 Mitgliedern – darunter viele Karteileichen – stagnieren, eine ungeheure personelle Herausforderung.

Immerhin gelang es den Anwesenden, das inhaltliche Profil, mit dem die WASG in den Wahlkampf ziehen will, zu schärfen. Die Partei will sich für einen Stopp der Hamburger Privatisierungspolitik, die Gründung von „Gemeinschaftsschulen für alle“ und den Erhalt und Ausbau der Volksgesetzgebung einsetzen. Eine weitere Forderung: Alle im Bildungssystem eingeführten Gebühren sollten zurückgenommen werden.

Ein zentrales Thema des WASG-Wahlkampfs soll die Arbeitsmarktpolitik werden. Es müssten mehr Arbeitsplätze geschaffen werden, um die soziale Spaltung in der Gesellschaft zu überwinden, betonte Landesvorständler Berno Schuckart. Als Beispiel nannte er die Umwandlung aller Ein-Euro-Jobs in sozialversicherungspflichtige Stellen. Außerdem müsse die Stadt Hartz-IV-Empfänger finanziell besser stellen.

Kaum für Nebengeräusche in der knappen und nicht auf der Tagungsordnung stehenden Fusions-Debatte sorgte der kurz vor der Versammlung bekannt gewordene Parteiaustritt der ehemaligen Bundestagskandidatin Ursula Caberta und fünf weiterer Parteimitglieder. Sie hatten ihren Abschied vor allem damit begründet, dass die WASG auch in Hamburg zum PDS-Anhängsel zu verkommen drohe. In einer gemeinsamen Stellungnahme bedauerten mehrere Landesvorstandsmitglieder den Austritt zwar, erklärten aber gleichzeitig, an dem Fusionszeitplan unbeirrt festhalten zu wollen.

Dabei wurde in der Debatte deutlich, dass viele Anwesende nicht einmal mit dem Zustand der eigenen Partei zufrieden sind – immer wieder formulierten RednerInnen auf der Versammlung ihren Frust. Die in Fusionsdiskussionen und Wahlkampfvorbereitungen verstrickte WASG sei „auf der Straße und in den zahlreichen Initiativen der Stadt nicht mehr präsent“ und durch „immer weniger aktive Mitglieder“ ausgeblutet.

Zudem würden „dirigistisch-zentralistische Strukturen zu einem Glaubwürdigkeitsverlust“ führen, und ein „Frauenanteil unter den Aktiven von zehn bis 15 Prozent“ mache jede Quotendiskussion zur Lachnummer.