: Alles hat mal ein Ende
Ortstermin: In der Berliner Bundespressekonferenz wurde das „Ende des Weißen Mannes“ ausgerufen. Von den weißen Männern Manfred Pohl (Autor) und Hans-Olaf Henkel (Laudator)
VON MARTIN REICHERT
Der Klotzbau der Bundespressekonferenz in Berlin-Mitte gehört zum natürlichen Lebensraum jener Spezies, die laut Manfred Pohl auf dem Index der bedrohten Arten steht: die des weißen Mannes. Noch laufen sie hier geschäftig herum, in elegante Anzüge gehüllt. Ob der einzige nicht weiße Mann im Foyer – ein türkischstämmiger Monteur im Blaumann – ahnt, dass all dies hier einmal ihm gehören wird?
Laut Manfred Pohl, Historiker, Hirnforschungs-Fan und langjähriger Verantwortlicher der Kulturaktivitäten der Deutschen Bank, werden die weißen Deutschen im Jahr 2050 eine ethnische Minderheit bilden, deren einziger Daseinszweck darin besteht, den Touristen als Fremdenführer „die großen Denkmäler unserer deutschen Hochkultur“ zu zeigen.
In seinem im Westkreuz-Verlag erschienenen Buch „Das Ende des Weißen Mannes“ fordert er den selbigen zum Handeln auf: Sein Beitrag zur Gestaltung der globalisierten Welt sei, „seine Kultur zu erhalten, zu stärken und weiterzugeben, ohne andere Kulturen zu vernichten und geringer zu schätzen“.
Der vom Westkreuz-Verlag bestellte Laudator ist nicht weiß, sondern knallrot im Gesicht. Hans-Olaf Henkel sieht ziemlich fertig aus, aber geschlagen gibt sich so jemand natürlich noch lange nicht: „Ich finde Ihren pessimistischen Ausblick interessant, wenn wir so weitermachen, wird uns das nicht erspart bleiben. Aber wenn ich das geschrieben hätte, müsste ich jetzt wahrscheinlich woanders Asyl beantragen. Historiker können sich das ja erlauben.“ Aber hier, im Bunker der Bundespressekonferenz, kann auch Henkel Klartext sprechen, man ist ja unter sich. Der Islam als Konkurrenzmodell der Globalisierung, kultureller „Big Bang“, da braucht man klare Regeln. „Und kann es nicht sein, dass eine Hochkultur auch an Selbstzufriedenheit zugrunde geht?“, fragt Henkel in die Runde? Die anwesende Kulturelite starrt schuldbewusst ins Nichts.
Nur Pohls Herumreiten auf der Hirnforschung geht Henkel ziemlich auf die Nerven: neuronaler Multiplikatoren-Effekt, neuronale Progression. Alles nicht Christiansen-tauglich. Aber Manfred Pohl findet das nun gerade gut: „Wir müssen interdisziplinär denken“, sagt der Historiker, der rückwärts gewandte Prophet, der nun unbedingt auch mal in die Zukunft blicken will. „Was, wenn die Chinesen die Welt beherrschen wollen?“ Und schließlich sei der Islam ja auch eine kriegerische Religion, dem müsse man ins Auge blicken.
„Der weiße Mann ist ein Auslaufmodell, davon können Sie ausgehen“, sagt Pohl, aber er hat sich schon mal Gedanken gemacht, wie man den Niedergang so gestalten kann, dass es am Ende doch noch gnädig ausgeht – ohne, dass den Weißen das Licht von andersfarbigen Wüterichen ausgeknipst wird.
Die nämlich säßen gerade vor ihren Rechnern, partizipierten über das Internet am „Wissen der Welt“ und trainierten ihre bislang noch nicht so geforderten Gehirne. Schon bald werden sie laut Pohl mit den Turbo-Hirnen der Weißen mithalten können – dank „neuronaler Progression“. Damit sie nicht auf die Idee kommen, sich möglicherweise an den Weißen für jahrhundertelange Unterdrückung rächen zu wollen, muss man sie entsprechend erziehen bzw. einbinden.
Am Ende der Pohl’schen Vision steht dann der „Multi-Colour-Man“ (MCM). Der ist zwar unter Umständen nicht mehr blond, aber mit westlichem Wertebewusstsein ausgestattet – die kulturelle Identität der westlichen Länder bleibt erhalten.
Die weiße Elite im Bunker ist skeptisch, ob dieser Kraftakt gelingen könnte. Auch weil die Weißen „in der Eifel und der Lausitz“ mit ihren Turbo-Gehirnen lieber „Deutschland sucht den Superstar“ und die Bild-Zeitung rezipierten, statt sich um ihre neuronale Progression zu kümmern. „Eindeutig Degenerationserscheinungen, ja“, befindet Pohl.
Ein Oswald Spengler wäre mit einem solchen 200-Seiten-Büchlein nicht durchgekommen. Sein „Untergang des Abendlandes“ umfasst stolze 1.249 Seiten und ist gerade im frömmelnden Patmos-Verlag neu aufgelegt worden. Von Hirnforschung wusste der stets unter Zukunftsängsten leidende Gelehrte nichts, er bediente sich der Biologie: die Kultur als Pflanze, die nach ihrer Vollendung abstirbt.
Mag sein, dass das „Wissen der Welt“ mehr wird – die Bücher werden immer dünner. Manfred Pohl will sich mit der Verrottung des Abendlandes auf dem Kompost der Geschichte nicht abfinden. Retten, was zu retten ist: Warum eigentlich, wenn die so wertvolle Kultur längst zur geschmähten „Zivilisation“ geworden ist, die laut Pohl angeblich unglücklich macht? Diese Antwort bleibt Pohl schuldig.