die taz vor 18 jahren über die iranische fatwa gegen salman rushdie
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In einer Zeit, da sich Handlungsreisende aus dem Westen in Teheran die Klinke in die Hand geben, sorgt Ajatollah Chomeini zwar nicht mit Hinrichtungen im eigenen Land, aber mit seiner Aufforderung zum Mord am Schriftsteller Salman Rushdie für Schlagzeilen. Wir hören von Killerkommandos, die schon unterwegs sein sollen, von der Reaktion der Moslems, von Aufforderungen an die Moslems auch, sich von dem blutrünstigen Greis zu distanzieren. Das Anliegen ist sicher aufrecht. Doch die Reaktion im Westen darf keine Formen annehmen, die latenten Vorurteilen gegenüber einer anderen Glaubensgemeinschaft Vorschub leisten. Im Falle Chomeinis und seiner Mitstreiter bleibt festzustellen, daß sie erst nach den Ereignissen in Pakistan, wo demonstrierende Fundamentalisten von Polizeikugeln getötet wurden, auf den fahrenden Zug aufsprangen. Das Buch Rushdies, der Aufruf zum Mord wurden im Iran Mittel einer erbitterten Auseinandersetzung über die Öffnung zum Westen.

Zehn Jahre nach dem Sturz des Schahs wird diese Entwicklung von einem Teil der Regimeanhänger als Ausverkauf der Revolution an die großen und kleinen Satane dieser Welt empfunden. Diese Fraktion griff die Gelegenheit beim Schopfe, nicht nur die Politik der Öffnung mit jedem Mittel zu torpedieren, sondern auch wenigstens punktuell den revolutionären Eifer von 1979 neu zu entfachen.

Die Intervention des Revolutionsführers selbst muß dabei vor dem Hintergrund gesehen werden, daß sein Image nach dem überraschenden Einschwenken auf die UN-Waffenruheresolution im Golfkrieg auch unter seinen Anhängern angeschlagen ist. Daher tritt Chomeini derzeit weniger als Politiker in Erscheinung, sondern versucht, seine Rolle als religiöser Führer stärker zu betonen. Es war Staatspräsident Ali Chamenei, der vorigen Freitag den Rückzug einleitete. Doch es ist die Frage, ob Chomeini die mörderischen Geister, die er rief, auch wieder loswird.

Beate Seel, taz vom 20. 2. 1989