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Archiv-Artikel

Das Schloss, wo die Zitronen blüh’n

Vor einem Jahr wurde die restaurierte herzogliche Residenz zu Eutin für das Publikum geöffnet. Jetzt macht sich die Museumsleiterin an die Wiederherstellung des einzigartigen Küchengartens mit seiner ausgeklügelten Pflanzenheizung – und sucht dafür noch freiwillige Helfer

„Die deutschen Landschaftsarchitekten schauen insgesamt auf dieses Projekt“

von BENNO SCHIRRMEISTER

Peter Friedrich Ludwig war kein Revolutionär. Auch kein Lebensreformer oder so’n Tünnkram. Und dass die Sache mit dem Garten unter dem Label Selbstversorger-Bewegung mal so etwas wie gesellschaftliche Sprengkraft entfalten würde, hätte der Großherzog des Landes Oldenburg und Herzog von Schleswig-Holstein-Gottorf beim besten Willen nicht ahnen können.

Nein, nach dem, was wir wissen, ist es ihm nur darum gegangen, ausreichend Gemüse, Obst, auch Zitronen, sowie, zum Angeben, den eigenen Wein und vorzeigbare Trauben in Eutin parat zu haben. Aus dem eigenen Küchengarten. Den will jetzt Museumsleiterin Juliane Moser wiederherstellen – kaum ein Jahr nach Eröffnung des restaurierten und neu eingerichteten Schlosses. Und zwar mit Bürgerbeteiligung.

Damit scheint sie einen Nerv getroffen zu haben. Denn kaum war die Nachricht vom Schlosspark-Subbotnik raus, schon hatten sich dutzende freiwilliger Helfer angemeldet, und nicht nur aus der direkten Nachbarschaft: „Es wollen auch Leute aus Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen-Anhalt anreisen“, berichtet Moser. Und die örtliche Bäcker- und Schlachtereien haben sich darum beworben, jawohl: beworben, als Sponsoren den ehrenamtlichen Helfern das Frühstück reichen zu dürfen. „Es entsteht“, sagt Moser, „eine richtige Bewegung.“

Das wäre unerklärlich, wenn der Eutiner Schloss-Küchengarten nicht etwas besonderes wäre. Schließlich hatte im Grunde jedes Herrenhaus eine derartige mehr oder minder landwirtschaftliche Anlage. Überall brauchte man sowohl für die fürstliche Küche als auch für die Bediensteten Zwiebeln, Kohl und Kürbis. Der Eutiner Küchengarten aber ist einerseits mit 20.000 Quadratmetern ziemlich weitläufig. Dann waren die Pflanzungs-Experimente hier auf einem ausgesprochen hohen Niveau: Extra-Glaskästen, beispielsweise für die Reben, damit die Trauben auch möglichst dünnschalig in einer hübschen, tafelgerechten Form heranreiften. Denkmalpflegerisch spielt noch eine Rolle, dass es sich um den ersten Küchengarten englischer Manier in Deutschland handelt – eine ummauerte Anlage innerhalb des mit 14 Hektar größten schleswig-holsteinischen Landschaftsparks.

Und schließlich ist es aber so, dass der Name seines Urhebers bei allen, die sich für historische Gartenkunst interessieren, hoch im Kurs steht. Denn Peter Friedrich Ludwig – gelebt hat er von 1755 bis 1829 – war derjenige, der mit den barocken Buchsbaumhecken-Schnörkel-Symmetrien à la française gebrochen und die britische Landschaftspark-Anlage hierzulande, naja, salonfähig gemacht hat. Zuerst in Rastede, im Ammerland, später dann in Eutin und schließlich in Oldenburg im Oldenburgischen, wo er, wie die Eutiner Garten-Expertin Kristin Püttmann erläutert, auch „den gleichen Küchengarten wie in Eutin noch einmal“ hat einrichten lassen. Nur etwas kleiner. Und wiederhergerichtet ist er auch nicht.

Als man im vergangenen Frühjahr das komplett-restaurierte Schloss für den Museumsbetrieb freigab, habe sich die Aufmerksamkeit „geradezu automatisch auf den Garten“ gerichtet, so Püttmann. Und den Augen bot sich: Eine grasüberwucherte Fläche. Das lag daran, dass spätestens mit Beginn des 20. Jahrhunderts die Selbstversorger-Funktion des Grünlands verloren gegangen war. Dass sich später die Nutzung als herzogliche Weihnachtsbaum-Plantage nicht als lukrativ erwiesen hatte. Und dass nach 1945 der Pächter den Betrieb mangels Wirtschaftlichkeit aufgeben musste. Dann wurden nur noch die Gebäude vermietet: die Orangerie als Atelier- und Ausstellungs-Raum, das Gärtnerhaus zum Wohnen.

Und dann – nichts. Vorbei und vergessen. Sogar so weit, dass man anfing, den in den Archivalien aufgefundenen wundersamen Beschreibungen einer ausgeklügelten Pflanzenheizung für die – in Holstein unüblichen – Südfrüchte zu misstrauen und das mit der Fontänen-Anlage des Parks verbundene Bewässerungs-System für nie verwirklichte Erfindung zu halten. Aber das gab es alles doch, stellten Kieler Uni-Archäologen im Sommer bei Probegrabungen fest. Was die Garten-Restaurierung zu einem nur umso dringlicheren, zugleich prestigeträchtigeren aber – eben auch teureren Projekt werden ließ.

In Sachen Prestige kann man beispielsweise auf die Ausschreibung verweisen. Am Wettbewerb ums beste Konzept für den Eutiner Küchengarten haben sich 69 Gartenplaner-Büros aus ganz Europa beteiligt. Gewonnen hat die Leipziger Landschaftsarchitektin Kathrin Franz. Zu deren Referenzen zählen die Schlossgärten von Blankenburg im Harz und das 2005 mit dem großen deutschen Denkmalpflegepreis, der silbernen Halbkugel, ausgezeichnete Riesenprojekt des „Seifersdorfer Thals“ bei Dresden.

Demgegenüber könnte, wer nur auf Quadratmeterangaben schaut, den Eutiner Auftrag für Kinkerlitzchen halten. Aber das ist er nicht, sagt Franz: „Es ist schon so, dass die deutschen Landschaftsarchitekten insgesamt auf dieses Projekt schauen.“ Denn es kommt selten vor, dass ein fürstlicher Nutzgarten wieder zu dem gemacht wird, was er einmal war. Auch weil solche Rekonstruktion „sehr hohe gärtnerische Ansprüche stellt“, sagt Franz: Da geht es darum, alte Techniken des Okulierens und historischen Methoden des Beschneidens neu zu erproben – praktische Archäologie also, für die es „kaum weitere Beispiele“ gebe.

In Sachen Kosten macht man sich Gedanken: „Wir müssen“, sagt Moser, „mit den Stiftungsmitteln scharf haushalten.“ Der eigene Etat beträgt momentan 550.000 Euro, er nimmt aber jedes Jahr bis 2010 um 50.000 Euro ab. Und die ökologisch-historisch korrekte Restaurierung des Küchengartens – inklusive der Herrichtung der laut Moser „in sehr schlechter Kondition“ befindlichen Orangerie und des Gärtnerhauses – wird locker sechs Millionen Euro verschlingen. Die sind nicht wieder einzuspielen durch das Schlossgemüse, das nach Abschluss der Arbeiten wieder gezogen werden soll. Und natürlich gleicht auch der Zuschuss der Bundesstiftung Umwelt in Höhe von 120.000 Euro die Differenz nicht aus, ganz zu schweigen vom Freiwilligen-Einsatz.

Aber egal. Am Ende wird es geklappt haben. Und es muss nun mal mit der Baufeldbereinigung beginnen, bei der am ersten Märzwochenende jeder mittun darf, der will: graben, graben und Schutt wegräumen. Damit dereinst in Eutin wieder die Zitronen blüh’n.

Subbotnik: 2. bis 4. März, Schloss Eutin, Anmeldung ☎ 04521/709 50, dr.juliane.moser@schloss-eutin.de oder bis 2. 3., 17 Uhr, im Stiftungsbüro