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Archiv-Artikel

VON DER LIEBE BIS ZUR WIEGE Der Wahnsinn im Bocksbeutel und ein Easy Drink zur Wurstplatte

VON STEPHAN REINHARDT

2009 Escherndorfer Lump Silvaner Kabinett trocken, Rainer Sauer, Escherndorf (Franken)

Horst Sauer, Boxbeutelgasse 14, ist – zu Recht! – der berühmte Sauer. Sein Gegenüber aber, Rainer Sauer, Boxbeutelgasse 15, ist mein Gott. Jedenfalls, was den Silvaner betrifft. Kein anderer Winzer liebt – nicht schätzt, sondern wirklich: liebt – die so lange missverstandene Sorte mehr als dieser ruhige, schnurrbärtige, wunderbare Franke, der zu Unrecht noch weitgehend unbekannt ist. Rainer wie auch sein Sohn Daniel, der nach Lehrjahren u. a. bei „Mister Veltliner“ Bernhard Ott an der Donau auf dem fränkischen Familienbetrieb neue Freiräume erforscht. Die hochklassigen Silvaner der Sauers wachsen fast ausschließlich in der Escherndorfer Spitzenlage Lump. Aus dieser nach Süden exponierten Steillage am rechten Mainufer kommen die vollmundigsten, sinnlichsten und animierendsten Silvaner der Welt. Der Wein, der mich jedes Jahr aufs Neue verblüfft, ja förmlich ins Glas zieht, ist Rainer Sauers Silvaner Kabinett. Dieser gestochen klar nach reifem Kernobst, Sternfrucht und dickem kühlem Lehm duftende Wein ist als 2009er nicht nur sagenhaft saftig und wunderbar fruchtig, sondern auch noch klar, elegant, balanciert und richtig salzig-animierend in seiner reifen, lebendigen Säure, die man auch mineralisch nennen könnte. Verflixt viel Geschmack, Spannung und Nachhall gibt es hier bei doch recht wenig (12 %) Alkohol. Wer noch immer am Silvaner zweifelt, kann – nein, muss! – der Sorte hier Abbitte leisten. Dabei ist dieser grandiose Wein doch erst der Einstieg in den Olymp des Rainer Sauer! Der Wahnsinn im Bocksbeutel – bei Rainer Sauer offensichtlich unvermeidbar.

8,80 €, Bezug: Paasburgs Wein aus Leidenschaft, Fidicinstr. 3, 10965 Berlin, Tel. (0 30) 61 10 18 38.

2007 „Cuvée Filius“ Rotwein trocken, Weingut Leonhard Zeter, Neustadt (Pfalz)

In der Pfalz ist die 3-D-Qualität noch viel zu wenig gewürdigt worden: Diedesfeld, Dornfelder und Dunkelfelder. Zugegeben, bei Nennung dieser drei Namen würde auch ich nicht gleich den Korken ziehen, jedenfalls nicht, solange Alternativen bereitstehen. Fehlen sie (was de facto ja nie vorkommt), bleibt einem jedoch keine andere Wahl: Her mit dem „Filius“, raus mit dem Korken und rein ins Glas. Und dann hinweg mit allem Snobismus und den üblichen Klischeevorstellungen: Der Wein ist gehaltvoll, fruchtintensiv und kernig, seine präzise, dichte Textur wird von feinen Tanninen und einer animierenden Säurefrische flankiert und in ein ausdrucksvolles Finish getragen – wow! Dass der Dornfelder etwas taugt, hat das Pfälzer Weingut Knipser längst bewiesen. Und auch der farb- und tanninreiche Dunkelfelder hat so manch guten Auftritt hinter sich, wenn auch, wie hier anonym, in Blends mit anderen Rebsorten. Nun also noch ein starker Auftritt der beiden D-Felder in – Diedesfeld. Das Dorf liegt etwa zehn Reitminuten südlich von Neustadt und drei südöstlich von Hambach, das seit dem Hambacher Fest 1832 von sich reden macht, weil es als „Wiege der deutschen Demokratie“ gilt. Zeters mit etwas Spätburgunder abgerundete 2007er Cuvée Filius aus Dorn- und Dunkelfelder darf sich sogar „Großer Wein“ nennen, nachdem ihn eine blindverkostende Jury für das Pfälzer Barrique-Forum aus 120 Weinen neben weiteren 23 dazu erkoren hat. Der während 21 Monaten in kleinen Eichenfässern geschulte Rotwein leuchtet rubinrot und entlässt strahlend klare und elegante Fruchtaromen von dunklen Beeren und Kirschen mit feiner, einladender Intensität aus dem Glas. Dieser moderne Wein hat kräftigen Körper, fleischige Fruchtintensität und viel Biss: ein anspruchsvoller Easy Drink, am besten zur Pfälzer Wurstplatte.

13,50 Euro, Bezug: www.weingut-zeter.de