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Archiv-Artikel

Der Minister kneift

Landesumweltminister Uhlenberg darf den Import von Giftmüll verbieten. Laut EU-Kommission liegt Entscheidung „im Ermessen der Empfängerländer“. Uhlenberg schiebt Verantwortung nach Berlin

VON MORITZ SCHRÖDER

Landesumweltminister Eckhard Uhlenberg (CDU) will den Import von 17.000 Tonnen australischem Giftmüll weiterhin nicht verbieten – obwohl er es könnte. „Die Entscheidung ist nicht durch EU-Recht gebunden, sondern liegt im Ermessen der Empfängerländer“, sagte Barbara Helfferich, Sprecherin des europäischen Umweltkommissars Stavros Dimas, gestern der taz. Uhlenberg beharrt weiterhin darauf, NRW habe keinen Spielraum bei der Entscheidung und müsse sich streng an die rechtlichen Vorgaben halten.

Noch hat der Landesminister den Import des Giftmülls nicht genehmigt, der in den Verbrennungsanlagen in Herten, Dormagen und Leverkusen vernichtet werden soll – nachdem er 16.000 Meilen übers Meer an die Nordseeküste und von dort in Lastwagen nach NRW transportiert worden ist. Er selbst sieht aber keine Möglichkeit für ein Veto und beruft sich auf die Abfallverbringungsverordnung der Europäischen Gemeinschaft. Die nennt als möglichen Verbotsgrund etwa, dass Australien den toxischen Abfall selbst verbrennen kann. Diesen Nachweis bleiben die australischen Behörden weiterhin schuldig. Gegenüber der taz hatte die australische Toxikologin Marianne Lloyd-Smith erklärt, der Sondermüll könne auch vor Ort verbrannt werden. Wenn Australien das verneint, will Uhlenberg den Müllimport genehmigen: „Er kann den ja nicht verbieten, weil ihm der Müll nicht gefällt“, sagte Uhlenbergs Sprecherin Sabine Raddatz.

Das sieht nicht nur Helfferich von der EU-Umweltbehörde anders. „Es gibt einen politischen Spielraum“, sagte auch Hans-Bernhard Rhein, Chemiker und Sachverständiger für Abfallwirtschaft. „Australien hat keinen Anspruch darauf, dass NRW den Müll entsorgt.“ Zwar müssten schwerwiegende Gründe gegen die Einfuhr sprechen, etwa hohe Umweltrisiken, aber über die Verordnung hinaus sei alles eine politische Entscheidung. Sollte Uhlenberg die Genehmigung nicht erteilen, würden laut Rhein Klagen der beteiligten Unternehmen drohen, sowohl aus Australien, als auch aus NRW, wo etwa der Betreiber RZR in Herten 5.000 Tonnen australisches Hexachlorbenzol verbrennen will.

Diese Entscheidung möchte Uhlenberg jedoch nicht allein fällen und bittet Bundesumweltminister Sigmar Gabriel (SPD) um Hilfe. Er möge Kontakt zur australischen Regierung aufnehmen, „um die darauf hinzuweisen, dass der Giftmülltransport in NRW auf geringe Akzeptanz stößt“, sagte Raddatz. „Wenn man noch was ändern will, dann über die Bundesregierung.“ Die Landtagsopposition wirft Uhlenberg nun vor, er wolle sich mit dem Manöver vor einer negativen Entscheidung drücken. „Die Landesregierung versteckt sich hinter der Rechtssprechung“, kritisierte etwa Johannes Remmel, umweltpolitischer Sprecher der Grünen Landtagsfraktion.

Doch auch aus Berlin ist kaum mit Widerstand gegen den Müllimport zu rechnen: „Herr Gabriel wird sich in dieser Angelegenheit nicht einmischen“, sagte gestern ein Sprecher des Ministers. Gabriel selbst setzt sich für eine „ordnungsgemäße Entsorgung in Deutschland“ ein. Damit kommt der Giftmüll Nordrhein-Westfalen immer näher.