: Aufstand der Energiezwerge
Die Gemeinde Börnsen versorgt viele ihrer 3.800-Seelen mit Wärme und Strom aus dem Blockheizkraftwerk. Auch das Gas kostet in Börnsen weniger als bei Eon. „In Börnsen ist Eon ein Schimpfwort“, sagt der Mann, der die Energie-Versorgung leitet
VON KLAUS WOLSCHNER
Hoch oben im Norden liegt ein kleines Dorf, das den Truppen der Eon mutig trotzt: Börnsen ist sein Name, es liegt im Herzogtum Lauenburg vor den Toren von Hamburg-Bergedorf und beherbergt 3.800 Seelen. Im Jahre 1217 ist die Gemeinde Börnsen zum ersten Mal urkundlich erwähnt. „Das Rathaus mit Feuerwehrgerätehaus bildet den Mittelpunkt“, heißt es stolz auf der Internetseite.
Dieses Börnsen hat etwas, was andere nicht haben: Eine eigene, bürgernahe Energieversorgung. Und das zahlt sich aus: Eine Durchschnittsfamilie zahlt in Börnsen mindestens 100 Euro im Jahr weniger für Gas und Strom als sie im Eon-Land zahlen müsste. „Eon ist in Börnsen ein Schimpfwort“, sagt der Chef der örtlichen „Gas- und Wärmedienst Börnsen GmbH“ (GWB), Joachim Reuland. Denn jeder wisse, was die im Nachbarort zahlen müssen und was ein großer Monopolist verdient am Geschäft mit Gas, Wasser und Strom. Um die Börnsener Selbstversorger an die kurze Leine zu nehmen, drückte ihr die große Eon, die 40 Prozent Anteile an der GWB hat, einen zweiten Geschäftsführer auf: Thomas Bandelow, Chef der Eon Hanse Wärme GmbH in Hamburg, ließ sich als Geschäftsführer der drei-Personen-Firma in Börnsen eintragen. Nicht, dass er in Börnsen wirklich arbeiten würde, aber seitdem geht eben nichts mehr ohne Zustimmung des Eon-Mannes.
Alles fing vor zehn Jahren an, „wir waren eine Bürgerinitiative mit ökologischem Hintergrund“, erzählt Reuland stolz. Von Beruf ist er Ingenieur und heute 62 Jahre alt. Die Bürgerinitiative überzeugte die Börnsener vom Wert lokal produzierter Energie. Drei kleine Blockheizkraftwerke gibt es inzwischen, die Heizwärme erzeugen und warmes Wasser, Strom auch – als „Abfallprodukt“, so sieht der Ingenieur das. Rund 80 Prozent des Strombedarfs der Menschen in Börnsen decken die Blockheizkraftwerke, 400 Kunden bringen sie Wärme. Eine durchschnittliche Familie zahlt für die Heizung über Fernwärme rund 1.300 Euro pro Jahr, während Erdgas-Kunden 200 Euro mehr zahlen.
Seit einem Jahr bezieht Börnsen 25 Prozent seines Gasbedarfs aus Dänemark, weil das einfach billiger ist. „Wenn wir unsere gesamte Energie von den Dänen beziehen könnten, wären wir noch günstiger“, sagt Bürgermeister Walter Heisch. Aber die GWB kommt aus dem Vertrag mit der Eon nicht heraus. Mit der Wartung der kleinen Kraftwerke konnte die GWB den Eon-Konkurrenten Vattenfall beauftragen, weil das billiger war. Und schließlich wurde ein kleiner Erdgasspeicher angelegt, groß genug, den Tagesverbrauch aufzunehmen. Hintergrund: Der Gas-Bezugspreis bemisst sich auch nach den „Spitzenlast“. Also machen die Börnsener nachts ihren Speicher voll, um damit morgens die „Spitze“ im Gasverbrauch zu vermindern. „Das spart 60 Euro pro Haushalt“, berechnet Reumann den Vorteil.
Inzwischen ist ein Teil von Börnsen mit einem eigenen Stromnetz verkabelt, denn die Einspeisungs-Preise liegen deutlich unter den Strompreisen, die die Eon nimmt. Dieser Zwischengewinn lässt sich mit dem eigenen Netz einsparen. Im Jahre 2010 läuft der Konzessionsvertrag der Gemeinde Börnsen mit der Eon aus – dann fallen die Leitungen in den Besitz der Gemeinde. Es ist ausgemachte Sache, dass dann ganz Börnsen mit dem „eigenen“ Netz versorgt wird.
Leitungskosten spielen auch beim Gas eine wichtige Rolle. An Börnsen vorbei geht eine dicke Hochdruck-Gasleitung nach Hamburg, dann kommt das Gas von der Eon zurück mit entsprechendem Aufpreis. Warum sollte man nicht eine eigene Abnahmestelle an der dicken Gasleitung einrichten und das Gas direkt entnehmen? Fragt Reumann. Das würde 110.000 Euro im Jahr sparen, die derzeit an die Eon überwiesen werden.
„Für alles, was wir machen wollen, brauchen wir die Zustimmung des zweiten Geschäftsführers, also die Zustimmung von Eon“, sagt Heisch. Die Eon hat einen zweiten Geschäftsführer ins kleine Börnsener Unternehmen hineingedrückt, um das Schlimmste zu verhindern. So jedenfalls sieht es der Bürgermeister. Eon-Sprecher Carsten Thomsen weist diesen Eindruck zurück. Dass die GWB Gas in Dänemark einkauft, wenn es da billiger ist, findet er „völlig in Ordnung“. Dass das Gas in Börnsen geringfügig preiswerter sei als im Eon-Land liege schlicht daran, dass die Eon auch ländliche Gebiete bis zu den Halligen versorgt und von allen denselben Preis nimmt. Was die Menschen in Börnsen sparen, müssen die anderen Eon-Kunden draufzahlen, „schreiben Sie das auch mal“, sagt der Eon-Sprecher.