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Archiv-Artikel

Willkommen zurück im Abstiegskampf

Nach dem 0:1 gegen Hannover ist Cottbus nun da gelandet, wo man Energie eh erwartet hatte: ziemlich weit unten

COTTBUS taz ■ Im Presseraum des Stadions der Freundschaft hängt ein hübsches Bild, das Symbolwert haben soll: Das Cottbuser Bundesliga-Team posiert vor dem imposanten Elektrizitäts-Umspannwerk Guben. Doch wenn der Eindruck nicht täuscht, geht dem FC Energie gerade der Saft aus. „Wenn das so weitergeht, wird es für uns ganz, ganz schwer“, sagte Trainer Petrik Sander, der mit Blick auf das Teamfoto saß. Er nannte den Vortrag seines Ensembles nach dem 0:1 gegen Hannover 96 schonungslos und ehrlich „eines Bundesligisten unwürdig“.

„Wir haben ja schon oft von Abstiegskampf gesprochen, aber jetzt stecken wir wirklich mittendrin“, sagte Stürmer Steffen Baumgart, der als Sinnbild des Kampffußballs aus der Lausitz gilt. Vor dem Spiel hatten die Fans, von einer bösen Vorahnung geplagt, ein riesiges Transparent entrollt: „Elf Baumis müsst ihr sein.“ Doch außer dem später eingewechselten Baumgart und dem erst 18-jährigen Verteidiger Arne Feick gab es keinen, der so spielte, wie Energie zu Beginn der Saison die Liga verblüffte. Waren sie lustlos, gehemmt, oder nur überfordert? „Also für mich ist es das Größte in der Ersten Liga zu spielen“, sagte Marco Küntzel, „ich gebe alles.“ Und andere? Achselzucken. Auch Sander war ratlos. „Die Aggressivität ist uns irgendwo abhandengekommen.“

Mit fatalen Folgen: Hannover 96, dieses biedere Ensemble, verpasste den Energielosen die dritte Heimniederlage in Folge. Sechs Spiele ohne Sieg in Serie sorgen dafür, dass der Abstand zur Abstiegszone nur noch 2 Punkte beträgt. Und das bei dem Restprogramm mit Bayern München und VfB Stuttgart. „Wir müssen aufpassen, dass wir in München nicht zu viele Tore kriegen“, sagte Kapitän Kevin McKenna. Bei Energie geht es nur noch um Schadensbegrenzung vor der Winterpause.

Gut möglich, dass die Mannschaft wochenlang ein Leben am Limit geführt hat. Kräftezehrend war die Spielweise, nun präsentieren sich alle ausgelaugt und geschockt ob der Tatsache, dass die Gegner sich auf den Stil eingestellt haben, den der Torschütze Steven Cherundolo „einfach und hässlich“ nannte. Der mit 1,70 m kleinste Akteur auf dem Platz durfte seinen Treffer sogar mit dem Kopf erzielen. Mit hohen Bällen operierte Cottbus mal wieder, ein Mittelfeld war meist gar nicht existent, sondern hinten standen sechs Mann und schauten zu, wie sich vorne Einzelkämpfer wie Kioyo, der die einzige wirkliche Chance besaß, aufrieben. Hannovers Trainer Dieter Hecking schien nicht überrascht: „Cottbus hat so gespielt, wie wir das die Woche über trainiert haben.“ Sander sollte sich schleunigst eine originellere Taktik einfallen lassen.

Der Trainer bat am Sonntag zur Aussprache. Er war wütend. „Jetzt müssen sich die Spieler mal hinterfragen, was sie wollen“, sagte er, „ob das ihr eigener Anspruch ist.“ Die Bundesliga wird zu einer Frage der Ehre – und mehr. „Es kann so nicht mehr weitergehen, sonst geht hier alles den Bach runter, was wir uns aufgebaut haben.“ Die Spieler zeigten sich, immerhin, selbstkritisch.

McKenna gab offen zu, „dass wir im Moment nicht einmal kratzen und beißen“. Darum haben die Cottbuser auch nicht mehr Fans verdient. 11.345 Zuschauer bedeuteten die schmalste Kulisse in der Bundesliga überhaupt seit fast vier Jahren. Cottbus ist an einem neuen Tiefpunkt angelangt. Allein eines tröstet: Fünf andere sind laut Tabelle noch schlechter.

Matthias Wolf