: Ringen um neue Feuerpause
ISRAEL/GAZA Während die Intensität der Kämpfe abnimmt, scheint es Fortschritte bei Verhandlungen zu geben. Palästinenser: Waffenruhe für 72 Stunden vereinbart
AUS JERUSALEM SUSANNE KNAUL
Die Raketenangriffe aus dem Gazastreifen gehen deutlich zurück, und Israel hält die Bombardierungen der Luftwaffe, der Marine und der Artillerietruppen auf niedrigerer Flamme als in den ersten vier Wochen des Krieges. Umso heftiger fechten die islamistische Hamas und Israel ihre Schlacht verbal miteinander aus.
„Israel wird keine Verhandlungen unter Feuer abhalten“, erklärte Regierungschef Benjamin Netanjahu zu Beginn der sonntäglichen Kabinettssitzung. Sollten die Israelis nicht nach Kairo kommen, dann, so drohten die Islamisten, werde auch Hamas wieder abreisen. „Die kommenden 24 Stunden werden das Schicksal der Verhandlungen besiegeln“, warnte Mussa Abu Marsuk, die Nummer zwei im Politbüro der Hamas. Am Abend hieß es von palästinensischer Seite dennoch, man habe eine erneute dreitägige Waffenruhe vereinbart. Diese wäre vor allem nötig, um humanitäre Hilfe zu ermöglichen.
Die Hamas steckt offenbar nicht selbst hinter den Raketenangriffen vom Wochenende, sondern lässt den Islamischen Dschihad und andere Widerstandsgruppen bedingt gewähren. Bei den Islamisten herrscht wohl noch immer der Eindruck vor, dass Israel nur mit Gewalt an den Verhandlungstisch zu bringen ist, obschon die Regierung in Jerusalem gerade das Gegenteil erklärte. Umgekehrt tut sich Israel schwer zu verstehen, dass die massiven Angriffe auf den Gazastreifen die Palästinenser nur noch stärker zur Hamas halten lässt, anstatt sie für das Blutvergießen und die Zerstörung verantwortlich zu betrachten.
Nach Informationen von Ron Ben-Ischai, politischer Analyst der Zeitung Jediot Ahronot, hat es in den vergangenen Tagen jedoch Fortschritte gegeben. In einer ersten Stufe des langfristigen Waffenstillstands solle die weltliche Fatah von Präsident Mahmud Abbas erneut die Kontrolle über die Grenzregion zu Ägypten übernehmen. Die Fatah-Truppen würden sich verpflichten, Schmugglertunnel auf palästinensischem Gebiet zu zerstören, und die ägyptische Armee auf der anderen Seite der Grenze.
Ben-Ischai schreibt, dass Israel Bereitschaft signalisiere, den Personenverkehr zwischen dem Gazastreifen und dem Westjordanland zu erleichtern. Flexibilität bestehe in Jerusalem auch hinsichtlich der Sperrzone für Fischer, die aktuell bei drei Meilen liegt und auf bis zu zwölf Meilen erweitert würde. Ferner solle die Palästinensische Autonomiebehörde als Mittelsmann beim Transfer von Geldern aus Katar in den Gazastreifen eingesetzt werden. Über 40.000 Mitarbeiter des öffentlichen Dienstes, die die Hamas im Gazastreifen angestellt hat, sind seit Monaten nicht bezahlt worden. Katar will die Zahlungen übernehmen, bislang verweigerte Israel indes den Transfer des Geldes.
Israels Justizministerin Zipi Livni stellte am Nachmittag in Jerusalem ihre Initiative für die Finanzierung eines schnellen Wiederaufbaus des Gazastreifens vor. Livni hofft auf Gelder von der EU, den USA und der UNO. Gemeinsam müsse zudem eine Wiederaufrüstung der Hamas und anderer militanter Gruppen unterbunden werden. Die Justizministerin machte sich für die Wiederaufnahme der Friedensgespräche zwischen Israel und der PLO (Palästinensische Befreiungsorganisation) stark, in deren Verlauf „schließlich auch die Öffnung eines Hafens im Gazastreifen und eines Flughafens geregelt werden kann“.