Brüsseler Kritik an Türkei-Ultimatum Merkels

EU-Kommissar Rehn lehnt neue Bedingungen für Ankara ab. Finnland will Teilaussetzung der Gespräche

„Dies macht der Türkei klar,dass es Konsequenzen hat, wenn man Bedingungen nicht erfüllt“

STOCKHOLM taz ■ Die Idee, die weiteren Beitrittsverhandlungen der EU mit der Türkei von der Setzung einer Frist abhängig zu machen, innerhalb deren Ankara die Handelsbeschränkungen gegenüber der Republik Zypern aufheben müsste, scheint vom Tisch zu sein. Ein solches Ultimatum war von Bundeskanzlerin Angela Merkel und dem französischen Präsidenten Jacques Chirac ins Gespräch gebracht worden, aber in Brüssel umgehend auf massive Kritik gestoßen. Ultimaten hätten in der Vergangenheit „keinerlei Resultat“ gebracht, wies Krisztina Nagy, Sprecherin von EU-Erweiterungskommissar Olli Rehn, eine solche Fristsetzung zurück. Diese hätte auch – da die Staats- und Regierungschefs der EU über weitere Beitrittsverhandlungen mit der Türkei dann einstimmig hätten entscheiden müssen – dazu geführt, dass ein Land, beispielsweise die mit Ankara zerstrittene Republik Zypern, den gesamten Beitrittsprozess hätte blockieren können.

Anstelle eines Ultimatums zeichnet sich vor dem Brüsseler EU-Gipfel in der kommenden Woche nun eine Einigung auf eine teilweise Aussetzung der Verhandlungen mit der Türkei ab. Eine solche hatte die EU-Kommission in der vergangenen Woche aufgrund der Weigerung der Türkei, ihre Häfen und Flughäfen für Schiffe und Flugzeuge aus dem EU-Mitgliedsland Zypern zu öffnen, vorgeschlagen. EU-Erweiterungskommissar Olli Rehn hält dies für eine „ausgewogene Lösung“. Sie mache nämlich einerseits „dem Beitrittskandidaten klar, dass es Konsequenzen hat, wenn er Bedingungen nicht erfüllt, hält aber andererseits den Beitrittsprozess am Leben“. Der Empfehlung, 8 der 35 Verhandlungskapitel, welche unmittelbar den freien Warenverkehr berühren, einzufrieren, schloss sich gestern auch die finnische Ratspräsidentschaft an. Dies sei „eine gute Grundlage für eine Entscheidung“ zum weiteren Vorgehen, sagte der finnische Ministerpräsident Matti Vanhanen in Brüssel. Die Beitrittsverhandlungen mit der Türkei seien zwar in einer kritischen Phase, doch – und Vanhanen nahm damit ein Bild auf, das sein Landmann Olli Rehn bereits in der vergangenen Woche gebraucht hatte: „Das Fahrtziel ist noch dasselbe, auch wenn der Zug langsamer geworden ist.“

REINHARD WOLFF