: So weit der Akku reicht
E-BIKES Elektrifizierung ohne Ende – jetzt rollen auch die Mountainbikes motorisiert durch den Wald und über die Wiese. Was früher als Frevel galt, soll nun zur Massenware werden: Ausweitung der Zielgruppe ist angesagt
VON HELMUT DACHALE
Das E-Bike ist das genaue Gegenteil eines naturbelassenen Fahrrades. Es erfreut sich der Unterstützung eines Motors, dessen Akku allerdings immer wieder an die Steckdose muss. Aber wer sagt, dass es deshalb nur für den Stadtverkehr geeignet ist? Warum nicht auch für die Ausflüge in die Natur, für die abseitigen und steilen Pisten?
Ein Mountainbike mit Motor galt lange als Frevel. Gewissermaßen als widernatürlich. Es gab allenfalls ein paar Exoten, allen voran das Edel-MTB aus der Flyer-X-Serie, hergestellt von der Biketec AG, einem Schweizer Unternehmen. Doch nun sollen elektrifizierte Offroad-Typen zur Massenware werden. Schließlich seien sie doch interessant für „alle, die beim Bergauffahren, insbesondere im Gelände, Spaß haben wollen und nicht außer Atem oben ankommen möchten“, so Knuth Wohlgemuth, Productmanager der Winora-Group.
Motor zeigen oder nicht?
Winoras Marke Haibike präsentiert neben einem vollausgestatteten Modell, das eher als elektrifiziertes Trekkingrad zu verstehen ist, drei geländetaugliche Nacktboliden. Ohne Lichtanlage, Schutzbleche und Gepäckträger, aber jeweils mit einem 250-Watt-Motor aus dem Hause Bosch. Eingebaut in unmittelbarer Nachbarschaft des Tretlagers, lässt er einen recht kurzen Radstand und sehenswerte Bodenfreiheit zu – wie beim MTB üblich und vonnöten. Der Lithium-Ionen-Akku sitzt auf dem Unterrohr und fällt ebenso ins Auge wie der Motor. Hier wird die Assistenz keinesfalls kaschiert. Sie wird vorgezeigt, und zwar laut Haibike-Werbung „selbstverständlich und selbstbewusst“.
Pedelecs (Pedal Electric Cycles) stellen die am stärksten verbreitete Variante des Elektrorades dar. Bei ihnen arbeitet der Motor in der Regel nur dann, wenn der Fahrer selbst in die Pedale tritt. Es sind „Fahrräder mit Trethilfe“, wie es der Gesetzgeber so uncharmant wie korrekt definiert. Ausgestattet mit „einem elektromotorischen Hilfsantrieb, dessen Unterstützung sich mit zunehmender Fahrzeuggeschwindigkeit progressiv verringert und beim Erreichen einer Geschwindigkeit von 25 km/h oder früher, wenn der Fahrer im Treten einhält, unterbrochen wird.“
Genau so läuft es mit den Haibikes. Und auch mit den zwei MTB-Modellen, die aus den Pantherwerken in Löhne stammen. Das eine wird direkt unter dem Panther-Label vermarktet, das andere trägt das altehrwürdige Göricke-Logo („Begehrt seit 1874“). Einige der Unterschiede zu den Haien: Der 250-Watt-Motor steckt in der Hinterradnabe; der Li-Ionen-Akku ist zwar auch am Unterrohr zu finden, aber genau genommen zwischen dessen beiden Streben. Platzierungen, die „kaum noch auffallen, der ganze Antrieb ist eher unscheinbar“, meint Rosalie Kraemer von den Pantherwerken. Sie sieht gerade diese verdeckte Lösung als besonders abgestimmt auf die sportliche Elementar-Optik. Und damit vor allem anziehend für jüngere Menschen.
Denn darum geht es schon bei der Motorisierung der MTBs: Ausweitung der Zielgruppe, Abrücken von der Vorstellung, die Trethilfe sei etwas für Leute, die, nun ja, hilfsbedürftig sind. „Unsere MTBs sind ideal für Leute, die sportlich fahren und dabei minimale Unterstützung haben wollen“, so Rosalie Kraemer. Was bei den Löhner Modellen auch in Form eines Boosters geboten wird, einer Anfahrhilfe, die das Fahrrad gänzlich ohne Muskelkraft in die Gänge bringt – bis zu einem Schleichtempo von sechs Stundenkilometern.
Aber nach wie viel Kilometern ist Schluss mit der Motorkraft, wann ist der Akku leer? Beim MTB scheint die Antwort ausgesprochen schwer zu fallen. Denn hier ist die Reichweite von besonders vielen Faktoren abhängig. Von den Wind- und Streckenverhältnissen, vom Fahrverhalten, von Tagesform und dem Eigenkrafteinsatz – und der entsprechenden Wahl unter mehreren Einstellungen am Steuermodul. Bis zu 100 Kilometer“, sagen insofern etwas unbestimmt die Hersteller der Haibikes, 40 bis 80 Kilometer die von Panther und Göricke.
Noch nicht ganz billig
Fürs Delite hybrid 250 HT MTB gibt der Hersteller, Riese und Müller, 55 Kilometer an und bezieht sich auf einen unabhängigen Test. Das Modell, ebenfalls 2011 brandneu in den Läden, ist die erste MTB-Version unter seinen elektrounterstützten Modellen, die er als Hybriden bezeichnet. Wie sämtliche Riese-und-Müller-Räder ist auch dieses vollgefedert. Der Bionx-Motor (250 Watt) sitzt in der Hinterradnabe, der 36-Volt-Akku hängt in der Tiefe des Unterrohrs. Auch hier kein Versteckspiel.
Aber man kann es sich ja denken: So ein motorbeschwertes Bike ist kein Fliegengewicht. Bei den meisten ist mit knapp 20 bis 21 Kilo zu rechnen, der vollgefederte Delite-Zosse steht kurz vor der 23-Kilo-Grenze. Auch die Preise sind noch im oberen Segment angesiedelt, aber doch schon ausdifferenziert: Riese und Müller verlangt 4.000 Euro für sein MTB, die Haibikes liegen zwischen 2.400 und 3.300 Euro, Panther und Göricke sind jeweils für 2.000 Euro zu haben.