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Archiv-Artikel

„Kann der Türke das?“

Comedy-Autor Ralf Husmann über Polenwitze, schnell wuchernde Warzen und die dritte Staffel seiner preisgekrönten Büro-Sitcom „Stromberg“, die heute Abend auf ProSieben startet (22.45 Uhr)

Interview Wolf Schmidt

taz: Herr Husmann, zur Vorbereitung auf das Gespräch habe ich mir noch mal die ersten beiden Staffeln ihrer Büro-Sitcom „Stromberg“ angeschaut.

Ralf Husmann (lacht): Glückwunsch! Ich schau mir nur unter Zwang mehr als zwei Folgen am Stück an.

Gut so! In hohen Dosen färbt Stromberg ab. Danach habe ich ständig Witze über dicke Frauen und Schwule gemacht. Kennen Sie das?

Es gibt Situationen, da denke ich, Stromberg würde jetzt das und das machen. Ich war vor kurzem in einer Werbeagentur. Und da saßen nur Menschen, die aussahen wie in einem schlechten Sketch. Stromberg hätte da gesagt: Kinder, wie rennt ihr hier rum? Habt ihr noch nicht gemerkt, dass die 80er vorbei sind?

Sie haben einmal gesagt, Comedy funktioniere nur aus der Arschlochperspektive. Warum?

Das muss ich etwas relativieren. Mir ist wichtig, dass eine Figur auch negative Züge hat. Das Erfolgsrezept für Sitcoms war ja jahrelang in etwa folgendes: Die Hauptfigur ist allein erziehend, hat zwei Kinder, einen Hund und einen prima Job. Der passiert zwar viel Blödsinn, im Kern ist sie aber ein guter Mensch. Ich finde es spannender, wenn die zentrale Figur in einer Sitcom nicht grundgut ist, sondern eben eher ein Arschloch.

Christoph Maria Herbst durfte sich als Stromberg in den beiden ersten Staffeln über so gut wie jede Minderheit lustig machen: Schwarze, Türken, Ostdeutsche, Behinderte, Dicke …

… wir haben fast alle durch, ja.

Was bleibt da noch für die dritte Staffel? Moslems und Juden?

Es gab Angebote von freien Autoren, die für Stromberg schreiben und genau nach diesem Prinzip weitermachen wollten. So funktioniert das aber nicht. Man muss bei der Figur auch mitkriegen, warum sie das macht. Stromberg handelt ja aus einer Schwäche heraus: eine Frau als Vorgesetzte zu haben und damit nicht klarzukommen. Oder gar gegen einen Türken als Konkurrenten zu verlieren. So böse wie möglich war nie mein Ziel.

Ist Stromberg das Arschloch, der Ausländerfeind, der kleinbürgerliche Spießer, der in uns allen steckt?

Das klassische Beispiel ist doch: Die Tochter bringt einen Schwarzen mit nach Hause und sagt: Das ist mein neuer Freund. Wie weit geht denn da die Toleranz des normalen Bürgers? In solchen Situationen reduzieren wir jemanden schnell auf einfachste Klischees. Da nehme ich mich nicht aus. Mir war aber immer wichtig zu zeigen, dass Stromberg kein Ausländerhasser ist. Er würde nie sagen, die Türken sollen abhauen. Aber er hat seine Vorurteile. Wenn er einen Türken als Kollegen hat, fragt er sich: Kann der das überhaupt, der Türke?

So ticken aber auch nicht alle.

In dem Moment, wo es wirklich ernst wird, greift man schnell auf Klischees zurück. Wenn dir einer ins Auto fährt, schaust du auf das Nummernschild, siehst drei Buchstaben und denkst dir: Scheiß Ossi!

Sie waren Ende der 90er-Jahre bei Harald Schmidt Chefautor. Auch dort haben Sie sich schon gerne über Minderheiten mokiert, am liebsten über die Polen.

Wir hatten damals bei Harald eine Devise, die ich nach wie vor richtig finde: Jede Minderheit hat das Recht, verarscht zu werden. Innerhalb der polnischen Community sind die Witze ja auch immer gut angekommen. Nur als irgendwann Hans und Franz anfingen, diese Witze zu machen, hat sich die Debatte etwas verselbstständigt.

Das kann man auch bei Stromberg beobachten. Im Internet werden seine Sprüche bejubelt, zum Beispiel der hier: „Der Türke kann Döner, Kaffee, Bauchtanz, mehr nicht.“ Stört Sie das?

Bei Stromberg besteht immer auch die Gefahr, dass es Applaus von der falschen Seite gibt. Wenn irgendwann die Türkensprüche bei der NPD auftauchen, wird es problematisch. Das gab es bis jetzt zwar noch nicht. Doch bei manchen Leuten habe ich das Gefühl, die feiern nur die Sprüche ab und sehen den Kontext nicht mehr. Aber das ist immer so bei Comedy und Satire. Das war bei Harald auch schon so.

Ist das nicht ein elitäres Humorverständnis: Der Autor darf alles, das Publikum aber nicht?

Comedy basiert immer auf einem Einverständnis zwischen Comedian und Publikum. Chris Rock kann sich über Schwarze lustig machen, weil er selber schwarz ist und eine bestimmte Haltung zum Thema hat. Dieselben Witze von einem Comedian des Ku-Klux-Klan hätten sicher eine andere Wirkung.

Es gibt eine weitere Parallele zur Harald-Schmidt-Show: Stromberg ist auch Hypochonder, er fürchtet sich vor Krankheiten und vorm Altern. Ein Thema, das Sie auch persönlich beschäftigt?

In einer der neuen Folgen entdeckt Stromberg eine schnell wuchernde Warze, die ich letztes Jahr auch hatte. Eine sogenannte Alterswarze, die sich innerhalb von wenigen Tagen erschreckend vergrößert. Die ist eigentlich völlig harmlos. Aber wenn man das nicht weiß, denkt man natürlich gleich an Hautkrebs. Besonders wenn man hypochondrisch veranlagt ist. Noch als ich beim Arzt saß, wusste ich, dass das ein perfekter Plot für Stromberg ist. Wenn der so etwas bekommt, denkt er natürlich sofort: Jetzt ist Ende.

Wann ist denn Ende für Stromberg?

Das weiß ich noch nicht. Aber die Geschichte vom inkompetenten Chef innerhalb eines Versicherungskosmos kann man nicht endlos weiter erzählen. Mich würde es aber reizen, Stromberg noch mal ganz woanders hinzuschicken. Er könnte ja ein Hotel leiten. Oder ein Gartencenter aufmachen.