Zwei Konzepte auf dem Marktplatz

KREUZBERG Zwei Bewerber präsentieren ihre Ideen für die künftige Nutzung der Markthalle an der Eisenbahnstraße. Sie unterscheiden sich geringfügig. Billigangebote soll es nicht mehr geben

„Wir brauchen Sie nicht, Sie haben sich nicht mit uns auseinandergesetzt“

VON CLAUDE SIETZKE

Helmut Russ möchte eine Halle mit Einzelhändlern und Gastronomie – und das Ganze garniert mit Kultur. Nikolas Driessen von der „Projektgruppe Markthalle IX“ möchte eine Halle mit Einzelhändlern und Gastronomie – und das Ganze garniert mit Kultur. Das klingt identisch. Die beiden letzten Bewerber um die Markthalle an der Eisenbahnstraße in Kreuzberg unterscheiden sich eher in ihrer Vorgehensweise als im Konzept. Das wird klar bei einer öffentlichen Vorstellungsrunde am Montagabend.

Etwa 300 Interessierte aus der Gegend um den Lausitzer Platz sind der Einladung einer Anwohnerinitiative in die Halle gefolgt. Um die Zukunft des 1891 errichteten Backsteinbaus wird schon seit Langem gestritten. Anstelle echter Marktstände finden Kunden derzeit nur einen Aldi-Supermarkt, den Billigkleidungshändler Kik und einen Drogeriemarkt. Der Liegenschaftsfonds möchte die bisher landeseigene Halle für 1.153.000 Euro verkaufen. Die Bewerber müssen unter anderem Platz für kiezbezogene und kulturwirtschaftliche Nutzung in der Halle garantieren. Eine endgültige Entscheidung soll im April fallen. Am Mittwoch will der Bezirk sein Votum abgeben.

Die Mehrheit der Anwohner am Montag war für das Konzept der „Projektgruppe Markthalle IX“. Die bekam deutlich mehr Applaus als der Konkurrent Russ. Die Projektgruppe stammt selbst aus dem Kiez. Sie ist durch ihr jahrelanges Engagement für die Wiederbelebung der Markthalle eindeutig im Vorteil. Ihr Architekt, Matthias Rick, vom Büro Raumlabor Berlin sieht ein exotisches und differenziertes Höhenniveau der Marktstände vor. Er schwärmt von „einer Stadt in der Stadt“, die Gänge sollen etwas unübersichtlich sein, das Angebot des Gebäudes könne dann nach und nach von den Nutzern entdeckt werden.

Langsam und Stück für Stück soll auch das Konzept umgesetzt werden. Im Oktober will die Projektgruppe mit einem temporären Wochenmarkt beginnen. Bis zum Jahr 2017 soll die Halle komplett bespielt werde – ohne die Discounter. Konkrete Zahlen liefert die Projektgruppe jedoch nicht.

Wesentlich professioneller präsentiert sich Russ, der seit Jahren mit seiner BerlinZauber GmbH den Weihnachtsmarkt auf dem Gendarmenmarkt betreibt. Schon bis Juni 2012 will Russ die jetzigen Nutzer Aldi und Kik los sein. Dafür bekommt er Applaus vom Publikum. Er möchte eine Markthalle nach europäischem Vorbild kreieren. Breslau, Barcelona, London und Paris nennt er als Vorbilder. Ein Sortiment erlesener Weine, Schweizer Käsespezialitäten, frischem Fisch und Fleisch sollen das Markthallenangebot aufwerten. Abgerundet soll das Ganze mit einem Indoor-Spielplatz für Kinder mit Sporttherapeuten, Tanz sowie Konzerte klassischer Musik. Für die Gesamtfinanzierung rechnet Russ mit 3,5 Millionen Euro, die er mit eigenen Mitteln und Bankkrediten sofort aufbringen will.

Bei den eher besser situierten Bewohnern rund um den Lausitzer Platz kommt das gut an. Denn bisher finden sie ein breites Angebot mit Lebensmitteln erst bei Karstadt am Hermannplatz. Bei den direkten Nachbarn der Markthalle aber stößt Russ auf Ablehnung. Sein größtes Problem: Anders als die Projektgruppe hat er sich bisher nicht im Kiez blicken lassen. „Wir brauchen Sie nicht, denn Sie haben sich nicht mit uns Kreuzbergern auseinandergesetzt“, schimpft eine Anwohnerin. Denn den ärmeren Kreuzbergern nutzt ein hochpreisiges Angebot weniger. Sie sind die Kunden der unbeliebten Discounter. Die aber wollen beide potenziellen Bewerber in ihrer Halle nicht mehr sehen.