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Archiv-Artikel

Sponsoren an die Macht

Im Machtkampf beim FC St. Pauli holte der Aufsichtsrat gestern zum entscheidenden Schlag aus und stellte den Nachfolger des Präsidenten Corny Littmann vor – doch der bleibt vorerst im Amt

von DANIEL WIESE

Corny Littmann weilte, wie es hieß, „aus geschäftlichen Gründen“ in der Karibik. Doch selbst wenn der immer noch amtierende Präsident des FC St. Pauli in Hamburg gewesen wäre, zu der Pressekonferenz im Vereinsheim wäre er kaum eingeladen worden – dort wurde gestern vom Aufsichtsrat des Vereins sein Nachfolger präsentiert.

Es war der vorläufige Höhepunkt eines Machtkampfs zwischen Aufsichtsrat und Präsidium. Das hatte zuletzt erklärt, zum 26. März zurückzutreten – nicht ohne zugleich zum 25. März eine Mitgliederversammlung einzuberufen. Die könnte das alte Präsidium erneut wählen, auch gegen den Willen des Aufsichtsrats.

Passend zum Anlass herrschte gestern in der Vereinsheims-Baracke dicke, Rauch geschwängerte Luft. Ganz vorn saßen die Aufsichtsräte, verdeckt von einer Phalanx von Journalisten und Fernsehkameras, weiter hinten standen die Vereinsmitglieder. Ein Stimme, sie gehörte Aufsichtsratschef Michael Burmester, listete die Verfehlungen Corny Littmanns auf. Der habe für den Neubau des Stadions „Millionenaufträge abgeschlossen“, ohne den Aufsichtsrat zu informieren. Der Abriss der alten Südtribüne im Dezember sei eine reine Show-Veranstaltung gewesen, die Verträge für die neue Südtribüne seien noch gar nicht fertig. Auch seien die Kredite höher als angekündigt, sie beliefen sich auf vier statt auf zwei Millionen Euro, was eine „erhebliche Belastung der Vereinsliquidität“ bedeute.

Noch während drinnen die Vorwürfe verlesen wurden, liefen sich draußen einige nervöse Herren warm, die dicke schwarze Notizbücher in der Hand hielten. Es war das neue Präsidium des Vereins. Stefan Orth, der neue Präsident, sei „eine Unternehmerpersönlichkeit, die das Konzept des Aufsichtsrates mitträgt“, hieß es bei der Vorstellung. Orth ist Geschäftsführer des St. Pauli-Sponsors „Ute Orth Bekleidung und Technik“. Ihm zur Seite stehen Andreas Wisilewski vom St. Pauli-Sponsor „Nordflies“ (Finanzen), der bisherige Aufsichtsrat Wolfgang Helbing (Verein / Stadionbau) und der ehemalige Mittelfeldspieler des Vereins, Carsten Pröpper, der derzeit in Neugraben eine Indoor-Soccer-Halle und eine Fußballschule betreibt.

Pröpper, der sich um die sportlichen Belange kümmern soll, blieb bei der Pressekonferenz wortkarg. Anders der designierte neue Präsident. „Sie sehen vor sich ehrliche Kaufleute, die nur das Geld ausgeben, das da ist“, erklärte der, und dass er „keine große Show“ machen wolle.

Allerdings ist formal gesehen Corny Littmann immer noch St. Pauli-Präsident, denn bevor ein Präsident entlassen werden kann, muss er angehört werden, was bei Littmann noch nicht geschehen ist. Die Fragen, die in das ohnehin etwas eisige Schwiegen im Vereinsheim hinein gestellt wurden und in diese Richtung gingen, häuften sich, worauf Orth schließlich meinte: „Sollte es irgendwas Besseres geben, würden wir unsere Stühle räumen und uns wieder auf unseren Platz setzen, um den St. Pauli anzufeuern.“ Und wie er das sagte, klang es dann doch ein bisschen beleidigt. „Herr Orth, sind Sie besser als Corny Littmann?“ Orth, der zuvor gelobt hatte, nichts Schlechtes über seinen Vorgänger zu sagen, überlegte kurz und murmelte dann etwas mit „vielleicht weniger schlecht“.

Nein, gut war die Stimmung im Vereinsheim nicht. Zwar hat sich Littmann im Verein nicht nur Freunde gemacht. „Bye-bye Corni“ hatten ihm die Fans schon hinterherrufen wollen, als er sie vergangenes Jahr für eine Promo-Aktion des Hamburger Abendblatts einspannen wollte. Auch die Pläne für eine VIP-Lounge im neuen Stadion sehen viele mit gemischten Gefühlen.

Trotzdem ist Littmann, Inhaber von Schmidt Theater und Schmidts Tivoli auf der Reeperbahn, eine gestandene Kiez-Größe. Der designierte Präsident Orth ist dagegen vielen Vereinsmitgliedern bisher unbekannt. „Schade, schade“, „Chance vertan“, „Das ist jetzt halt so ein Sponsor“, war aus dem Gemurmel herauszuhören, das aus dem hinteren Teil des Vereinsheims drang.

Aber der letzte Akt kommt ja erst noch. Bei der Mitgliederversammlung am 25. März wird Littmanns Gegenangriff erwartet.