: Lieber nicht erben
ERBRECHT II In manchen Fällen kann es klüger sein, ein Erbe auszuschlagen. Dabei ist Eile geboten
Erben muss nicht zwangsläufig ein Vergnügen sein. Wer Rechtsnachfolger eines Verstorbenen wird, den können auch dessen unangenehme Hinterlassenschaften einholen. Aber es gibt in Deutschland einen Weg, die Verantwortung dafür zu verweigern: die sogenannte Erbausschlagung.
In der Regel ist es die Überschuldung eines Verstorbenen, die die Begünstigten davor zurückschrecken lässt, ein Erbe anzutreten. Und das zu Recht: Denn die finanzielle Haftung für eventuelle Verbindlichkeiten erstreckt sich nach deutschem Recht bei der Annahme eines Erbes nicht nur auf die hinterlassene Erbmasse, sondern auf das gesamte Vermögen des Erbenden. Sein bisheriges Vermögen und das neu dazugekommene gelten als Gesamtpaket, das zur Befriedigung der Ansprüche von Gläubigern bereitsteht.
Zwar gibt es theoretisch auch Möglichkeiten, die Haftung für geerbte Schulden zu begrenzen, sagt der Kieler Rechtsanwalt und Notar Andreas Kühnelt. Es gebe Konstruktionen wie die sogenannte Nachlassinsolvenz. Sie seien aber immer mit rechtlichen Unsicherheiten verbunden. „Auch im Fall einer Nachlassinsolvenz bleibe ich ja Erbe“, erklärt Kühnelt. „Davon rät man in der Regel ab.“
Probleme entstehen auch dann, wenn die Vermögenslage eines Verstorbenen nicht ganz klar ist und sie sich in der zur Verfügung stehenden Zeit nur schemenhaft rekonstruieren lässt. Denn für die Ausschlagung gilt es, eine Frist von sechs Wochen zu wahren, in der der potenzielle Erbe seinen Verzicht per notariell beglaubigtem Schreiben oder zu Protokoll beim Nachlassgericht erklärt haben muss. Nur für den Fall, das sich ein Verstorbener oder der Erbe zum Zeitpunkt des Todes im Ausland aufhielten, verlängert sich diese auf sechs Monate. Im inländischen Regelfall aber tickt die Uhr von dem Zeitpunkt an, ab dem der Erbe erstens vom Tod des Erblassers erfahren hat und zweitens der Tatsache gewahr wird, dass er zum Erben berufen wurde.
Schwierig wird es bei überraschenden Erbschaften von Verwandten oder Bekannten, zu denen möglicherweise schon seit geraumer Zeit kein Kontakt mehr bestand. Hierbei stoßen die Begünstigten auch auf das Problem, dass sie die benötigten Informationen zur Vermögenslage des Verstorbenen ohne Nachweis einer Berechtigung nicht bekommen.
Kreditinstitute verlangen entweder einen Erbschein – was in diesem Fall aber wenig weiterhilft, da dieser erst dann ausgestellt wird, wenn der Erbe den Nachlass bereits angetreten hat. Alternativ wird ein notariell beglaubigtes Testament akzeptiert, in dem der Begünstige klar benannt wird. Fehlt dies, kann der Erbberechtigte nur auf Verdacht handeln, also unter Umständen im Zweifel lieber auf das Erbe verzichten, als sich blindlings in ein finanzielles Abenteuer zu stürzen. SBR